Bahnstreiks: Niemand kann zu einer konstruktiven Gesprächsführung gezwungen werden

Seit Monaten zoffen sich Deutsche Bahn und GDL in der Öffentlichkeit um höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich. Wie kommen die Parteien aus der Eskalationsspirale wieder raus. Das fragte das Wirtschaftsmagazin CAPITAL Alexandra Bielecke, Diplom-Psychologin und vielen als ehemalige Vorsitzende des Bundesverbands Mediation bekannt.

Laut Bielecke ist es eine sehr schwierige Aufgabe und alles andere als leicht zu sagen, wer hier die „bessere“ Partei sei. Von außen denke man schnell, Herr Weselsky sei mit seinen Forderungen nicht mehr auf dem Boden der Tatsachen und es gebe sicherlich auf beiden Seiten persönliche Interessen. Die Gemengelage sei allerdings auch besonders kompliziert, weil es innerhalb der Bahn so viele verschiedene Gesellschaften mit unterschiedlichen Tarifverträgen, möglichen Zulagen, Ausbildungen und so weiter gebe. Das lasse sich auch mit Modellen in anderen Ländern kaum vergleichen. Deswegen sei es extrem schwierig, zu beurteilen, was ein vergleichbarer guter Lohn sei. Es besteht aber laut Bielecke die Hoffnung, dass eine dritte Person die Grenzen von Vergleichsmodellen aufzeige und den Rahmen für Verhandlungen wieder öffnen. Sie glaubt, dass die Bahn mit ihrer Bereitschaft, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen, den ersten Schritt zur Deeskalation gemacht habe. Diese habe großes Interesse daran, eine gute Lösung zu finden. Man könne nur hoffen, dass sich die GDL ebenfalls einlasse. Ein Schlichtungsverfahren ist laut Bielecke kein Verlust, sondern ein Gewinn an Verhandlungsmöglichkeiten.

Bielecke schlägt zudem vor, die Dauer des Schlichtungsverfahrens auf jeden Fall vorher festzulegen. Sonst sei es zu einfach, wieder vom Verhandlungstisch aufzustehen und zu sagen, wir können uns sowieso nicht einigen. Man könnte es zum Beispiel mit vier Wochen probieren, das würde den Druck rausnehmen und den Beteiligten die Möglichkeit geben, über einen Vorschlag nachzudenken. Bisher gebe es immer Sorge vor Verzögerungen des Prozesses, vor den nächsten Gerichtsverfahren oder Streiks. Ein Schlichtungsverfahren vor Streiks Gesetz werden zu lassen, hält Bielecke für schwierig. Aber man könne auf jeden Fall festlegen, dass es nicht sofort zum Streik kommen kann, sondern zuerst verhandelt werden muss. Das könne abgestuft sein, von der alleinigen Verhandlung zu einer Moderation zur Schlichtung. Das Problem dabei sei nur, dass niemand zu einer konstruktiven Gesprächsform gezwungen werden kann. Die Grundhaltung der Parteien ist in einem Gespräch immer entscheidend, betont Bieleke gegenüber CAPITAL.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.03.2024 14:00
Quelle: www.capital.de v. 12.3.2024

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