Deutschland vor dem Schiedsgericht: Energiekonzern klagt gegen Steuer
Unternehmen haben ein besonderes Instrument, um sich gegen unbequeme Gesetze zu wehren: Sie können Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen. Grundlage sind Investitionsschutzabkommen, die viele Länder selbst abgeschlossen haben. Wie weitreichend diese Klagen inzwischen sind, zeigt ein Bericht europäischer Umweltorganisationen, darunter die deutsche PowerShift: Seit Beginn der Verfahren in den 1960er Jahren bis Ende 2024 wurden weltweit 1.401 Streitfälle gegen 136 Staaten angestrengt – mit einem Gesamtvolumen von über 1,1 Billionen US-Dollar. Die Verfahren sind meist geheim, 59 % der abgeschlossenen Fälle gewannen Investoren.
Ein aktuelles Beispiel betrifft die Klesch Group mit Sitz in London und Genf. Der internationale Industrierohstoffkonzern besitzt Raffinerien in Deutschland und Dänemark und klagt seit Oktober 2023 gegen die EU-Sondersteuer für Energieunternehmen – konkret gegen Deutschland, Dänemark und die EU. Die sogenannte Übergewinn- oder Zufallsgewinnsteuer wurde eingeführt, nachdem die Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine stark gestiegen waren. Viele Unternehmen konnten ihre Gewinne verdoppeln, während Verbraucher unter den Preissteigerungen litten.
Im Juli 2024 erzielte Klesch einen Erfolg: Ein Schiedsgericht untersagte Deutschland, die Steuer für 2022 in Höhe von 47,2 Mio. € einzuziehen. Für 2023 (69,4 Mio. €) läuft ein weiteres Verfahren. Die Begründung: Es sei im Falle eines Sieges möglicherweise nicht „einfach“, die Steuer vom deutschen Staat zurückzufordern.
Die Klage stützt sich auf den Energiecharta-Vertrag, aus dem Deutschland 2023 ausgetreten ist. Eine Klausel erlaubt Klagen noch bis zu 20 Jahre nach dem Austritt. Deutschland unterhält zudem rund 80 weitere Investitionsschutzverträge – ursprünglich gedacht für Länder mit geringer Rechtssicherheit. Vor allem deutsche Unternehmen nutzen sie intensiv und gehören zu den aktivsten Klägern weltweit.