Centrale für Mediation verleiht Sokrates-Preis an das Projekt „Kommunale Entwicklungsbeiräte“
Die Centrale für Mediation hat am 11. Juni 2025 im Rahmen einer Online-Veranstaltung den Sokrates-Preis 2024 an das Projekt „Kommunale Entwicklungsbeiräte“ verliehen. Die Initiative wurde maßgeblich von Prof. Dr. Gesine Schwan entwickelt und begleitet.
Schwan ist Politikwissenschaftlerin, frühere Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin und Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD. Außerdem war sie Präsidentin der 1991 gegründeten Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. In seiner Laudatio betonte Prof. Dr. Alexander Redlich, dass Gesine Schwan selbst eine preiswürdige Persönlichkeit sei, doch die Auszeichnung explizit dem innovativen Beteiligungsformat der Kommunalen Entwicklungsbeiräte gelte.
Das klassische Szenario: In der Zivilgesellschaft werden große Träume entwickelt. Doch die Verwaltung tritt auf die Bremse: So schnell geht das nicht. Und die Politik redet sich heraus: „Wir haben die Mehrheiten dafür nicht.“ Kommunale Entwicklungsbeiräte setzen genau hier an und zeigen neue Wege auf. Eine inklusive und nachhaltige Entwicklung gelingt am besten, wenn alle Interessengruppen miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam Strategien entwickeln. Dieser Gedanke ist zentral für die Kommunalen Entwicklungsbeiräte. Sie bringen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um zu einer konkreten Fragestellung Empfehlungen für lokale Entscheidungsgremien zu erarbeiten. Damit soll das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Verwaltung gestärkt werden.
Ein Kommunaler Entwicklungsbeirat (KEB) ist ein Format der kommunalen Bürgerbeteiligung. Er wird von der lokalen Politik beauftragt, um eine spezifische Frage zu bearbeiten, die für die Kommune relevant ist. Rund 30 Personen aus kommunaler Politik und Verwaltung sowie lokaler Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden als Beiräte ausgewählt. Dies unterscheidet die KEBs von klassischen Bürgerräten, bei denen die Mitglieder per Losverfahren bestimmt werden, um die Stadtgesellschaft möglichst repräsentativ abzubilden. Die KEBs setzen hingegen auf gezielte Beteiligung: Sie bringen Personen zusammen, die Fachwissen haben, direkt betroffen sind oder Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen vertreten.
Im Jahr 2023 testeten fünf Kommunen aus dem ländlichen Raum diesen von der Berlin Governance Platform entwickelten Beteiligungsansatz erstmalig. Eine davon war Rottenburg am Neckar im Landkreis Tübingen. Dort befasste sich der KEB mit den Auswirkungen aktueller Krisen auf das friedliche Zusammenleben und die nachhaltige Entwicklung der Stadt sowie der zunehmenden Polarisierung in der Stadtgesellschaft.
Mittlerweile wurden rund zehn Projekte abgeschlossen, darunter in Hoyerswerda, Frankfurt (Oder) und Duisburg. In seiner Laudatio betonte Prof. Dr. Alexander Redlich, dass durch die KEBs die politische Mündigkeit der Menschen im regionalen Raum gestärkt werde. Die KEBs hätten bei den jeweiligen regionalen Aufgabenstellungen gleich mehrere Brücken geschlagen: Erstens durch die Suche nach Best-Practice-Beispielen, zweitens durch die Integration mediativer Elemente in kontroverse Diskussionen, drittens durch die Erkenntnis, dass bei Meinungsverschiedenheiten die Methodik entscheidend sei, und viertens durch das Prinzip „Inklusion statt Exklusion“. So würden alle relevanten Akteure in die Lösung kommunaler Probleme einbezogen – einschließlich Vertreter der AfD.
Die live aus Paris zugeschaltete Gesine Schwan hob hervor, dass die KEBs bei den Beteiligten sowohl die Selbstwirksamkeit als auch das Vertrauen in die Demokratie stärken – eine Demokratie, die derzeit vielerorts unter Druck stehe. Deshalb sei es wichtig, das Gemeinwohl zu betonen und Menschen aktiv einzubinden, um die Brüchigkeit demokratischer Prozesse zu überwinden. Einen künftigen Schwerpunkt der KEBs sieht Schwan in der kommunalen Wärmeplanung. Häufig würden Wirtschaft und Wissenschaft neue technologische Möglichkeiten aufzeigen, die dann unterschiedliche politische Lösungen hervorbrächten, die regional abgestimmt werden müssten. Hier sei es entscheidend, so Schwan, dass eine partizipative Wärmewende ohne finanzielle Einflussnahme stattfinde. Dies könne auch zur Stärkung erneuerbarer Energien beitragen.