Richterbund warnt vor Justizkollaps
Der Deutsche Richterbund warnt vor dem Justizkollaps: Es fehlen Tausende Fachkräfte, Verfahren stocken, die Digitalisierung hinkt, die Gehaltsschere zur Wirtschaft öffnet sich weiter. Welche Lösungen wird die Justizministerkonferenz anbieten? Mehr Geld für die Justizjuristen und zügigere Digitalisierung: Die Justizminister suchen händeringend nach Lösungen.
Der Deutsche Richterbund (DRB) drängt auf eine rasche Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten Pakts für den Rechtsstaat. Angesichts erheblicher Personalengpässe, insbesondere in der Strafjustiz, und eines großen Rückstands bei der Digitalisierung müsse bis zur Sommerpause ein klarer Fahrplan vorliegen, der die Ziele und Zeitrahmen des Pakts definiert. Nach Angaben des Richterbundes fehlen derzeit bundesweit über 2.000 Staatsanwältinnen und Strafrichter. Die Folge: Strafverfahren ziehen sich zunehmend in die Länge, Ermittlungen müssen immer häufiger eingestellt werden. Bei den Staatsanwaltschaften stapeln sich mittlerweile fast eine Million unbearbeitete Fälle. Auch im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit bestehe dringender Handlungsbedarf, so der DRB. Hier könne eine durchdachte Digitalisierung dazu beitragen, Verfahren effizienter zu gestalten und der Bevölkerung schnelleren Zugang zu ihrem Recht zu ermöglichen.
Ein weiteres Problem ist laut dem DRB die im Vergleich zur Privatwirtschaft stark abfallende Bezahlung juristischer Fachkräfte im Staatsdienst. Der deutsche Richterbund sieht in der Besoldungspolitik dringenden Handlungsbedarf. Wer heute als ledige Richterin oder als Staatsanwalt seine Laufbahn beginnt, verdient nach einigen Jahren Berufserfahrung im Schnitt etwa 60.000 Euro brutto jährlich. Zum Vergleich: Prädikatsjuristen in Unternehmen erhalten laut Zahlen der Beratungsgesellschaft Kienbaum durchschnittlich rund 100.000 Euro pro Jahr, Berufseinsteiger in Großkanzleien sogar etwa 139.000 Euro. Das sei ein erheblicher Unterschied, selbst wenn man berücksichtige, dass Staatsanwälte und Richterinnen wie Beamte behandelt werden und deshalb weniger Abgaben auf ihr Gehalt zahlen. Die Gehaltsschere klaffe dabei immer weiter auseinander: Lag der Gehaltsunterschied zwischen Justiz und Unternehmen 1992 bei rund 10.000 Euro jährlich, beträgt er heute nach Zahlen des DRB etwa 40.000 Euro im Schnitt.
Auch auf europäischer Ebene wächst die Kritik. In ihrem Bericht vom Jahr 2023 zur Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedstaaten mahnte die EU-Kommission erneut Reformen in Deutschland an. Es gebe kaum Fortschritte bei der Besoldung der Richterinnen und Richter. Die Brüsseler Behörde forderte, dass Deutschland deutlich mehr für die personelle und strukturelle Ausstattung seiner Justiz tun müsse.