Aktuell in der ZKM

Neue Vorgaben für die Ausbildung zertifizierter Mediatoren (Thole, ZKM 2023, 131)

Der Verordnungsgeber hat die Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMediatAusbV – (BGBl. I 2023 Nr. 185) zum zweiten Mal innerhalb von gut drei Jahren überarbeitet und nunmehr an die Bedürfnisse der Praxis angepasst. Dem liegt ein intensiver Online-Dialog des Bundesministeriums der Justiz mit beteiligten und interessierten Fachkreisen aus der Mediatorenschaft zugrunde, der den Teilnehmern in der Zeit von Juni 2020 bis November 2021 die Möglichkeit bot, sich über rechtliche und tatsächliche Probleme aus dem Bereich der Mediation auszutauschen. Der „große Wurf“ bleibt bewusst aus. Dass die minimalinvasiven Änderungen des Verordnungsgebers aber – zumindest derzeit – sachgerecht und angemessen sind, veranschaulicht dieser Beitrag, der einen besonderen Fokus auf die Beweggründe der Reform legt.


I. Der unbestimmte Rechtsbegriff „Präsenzzeitstunden“

II. Das Ende der Selbstzertifizierung: konstitutive Zertifizierung durch Ausbildungsinstitute

III. Inkrafttreten und Übergangsregelungen

IV. Sonstige Anpassungen


I. Der unbestimmte Rechtsbegriff „Präsenzzeitstunden“

Angesichts der COVID‑19-Pandemie und der dadurch bedingten Kontaktbeschränkungen im Jahr 2020 in Deutschland kristallisierte sich im Rahmen des Online-Dialogs zunächst das Thema „Präsenzzeitstunden“ i.S.v. § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV als eines der dringendsten Themen heraus. Die Norm sieht vor, dass der Ausbildungslehrgang, der absolviert werden muss, um sich als „zertifizierter Mediator“ bezeichnen zu dürfen, „insgesamt mindestens 120 Präsenzzeitstunden“ betragen muss. In Frage stand, in welchem Umfang Aus- und Fortbildung in der aktuellen Zeit online durchgeführt werden durften. Eine abschließende und rechtsverbindliche Festlegung des Begriffs „Präsenszeitstunden“ i.S.v. § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV  ehlte. Auch ein Blick auf die Intention des Verordnungsgebers aus dem Jahre 2016 half nicht weiter. Denn der Verordnungsgeber hatte die Frage einer möglichen Online-Ausbildung von „Präsenzzeitstunden“ damals nicht im Blick. Seine Intention war es lediglich, einen Ausbildungslehrgang als reines Selbststudium zu verhindern. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass eine angemessene Vorbereitung auf die berufliche Praxis die persönliche Interaktion mit dem Ausbilder und anderen Lehrgangsteilnehmern zwingend erfordert. 

Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sollen die Ausbildungsteilnehmenden hinreichend auf ihre berufliche Praxis vorbereitet werden. Auch nach den mehrheitlichen Rückmeldungen aus dem Online-Erfahrungsaustausch ist das Gros der Mediationsverfahren in der Praxis wesentlich von einer persönlichen und unmittelbaren Interaktion der Betroffenen gekennzeichnet. In der Folge ist der persönliche und unmittelbare Kontakt mit dem Ausbilder und den an deren Lehrgangsteilnehmern im Regelfall wichtig und erforderlich, um den Lehrgangsteilnehmern die notwendigen Kompetenzen und sog. „Soft Skills“ für die Leitung und Führung durch ein Mediationsverfahren zu vermitteln. Es entspricht der Überzeugung des Verordnungsgebers, dass der Erwerb der dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten ganz überwiegend den persönlichen Austausch, das sich tatsächlich „in Beziehung begeben“ und eine besondere Didaktik, die subjekt- und teilnehmerorientiert ist, voraussetzt. Und das ist nur bei überwiegend gleichzeitiger psychischer Präsenz der Lehrenden und der Ausbildungsteilnehmenden gewährleistet.

Dieser Befund leitet den Verordnungsgeber zu der Erkenntnis, dass § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV  für eine reine Online-Ausbildung nicht zugänglich sein darf. Allerdings darf im Jahre 2023 der technische Wandel und Fortschritt nicht außer Betracht gelassen werden, der eine partielle Öffnung der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung erfordert. Denn der Verordnungsgeber verkennt nicht die Tatsache, dass insbesondere Wissen adäquat auch online vermittelt werden kann, vor allem unter Einsatz technischer Hilfsmittel wie interaktiver Whiteboards oder Break-Out-Sessions. Es ist damit als ein besonderer Kompromiss  zu verstehen, dass der Verordnungsgeber in § 2 Abs. 4 Satz 3 ZMediatAusbV  neue Fassung  nunmehr klarstellt, dass die Ausbildung künftig zu einem Anteil von bis zu vierzig Prozent online erfolgen darf. Dieser Kompromiss ist deshalb besonders, da er Ausfluss intensivster Einbeziehungen der Praxis in die Arbeiten an dem Referentenentwurf ist. Zuletzt mit Schreiben vom 14.3.2023 hat der Verordnungsgeber die Länder- und Verbände zu dem im Referentenentwurf „vorerst“ in Ansatz gebrachten 40 %-Onlineanteil beteiligt und hierzu ausdrücklich um Stellungnahmen gebeten. Auf diese Weise hat der Verordnungsgeber die konkrete Höhe dieses Prozentsatzes für den zulässigen Anteil der Online-Ausbildung vor allem zur Disposition der Praxis gestellt. Die absolute Mehrheit der Rückmeldungen der Länder sprach sich für einen Online-Anteil von maximal 40 % aus. Ein weiterer größerer Teil der Rückmeldungen erachtete die 40 %-Lösung als zu weitgehend und stimmte einem Anteil von max. 20 % (z.T. auch 30 %) zu. Lediglich zwei Institute forderten die Möglichkeit einer 100%igen Online-Ausbildung. Eine weitere Einrichtung sprach sich für den Wegfall staatlicher Vorgaben für den didaktischen Modus; dieser sei allein von der ausbildenden Stelle zu regeln. Schließlich forderten zwei Institutionen einen Systemwechsel durch Errichtung einer neuen Zertifizierungs-/Akkreditierungsstelle, in deren Folge keine Vorgaben an den Anteil der zulässigen Online-Ausbildung mehr erforderlich wären.

Die Nutzung des 40%igen Onlineanteils der Ausbildung setzt freilich voraus, dass neben einer Anwesenheitsprüfung auch eine persönliche Interaktion zwischen Lehrkräften und Ausbildungsteilnehmenden sowie zwischen den Ausbildungsteilnehmenden sichergestellt ist. Hierzu bedarf es etwa Terminals mit Video- und Tonverbindung, um einen mit einem physischen Klassen- oder Lehrgangsverband vergleichbaren Austausch zwischen den Teilnehmenden sicherzustellen. Ein Audio- Kommunikationskanal ohne Video kann genügen, wenn dies durch andere digitale Interaktionsangebote, wie beispielsweise Präsentationsmöglichkeiten an einer virtuellen Tafel, begleitet wird. Nicht ausreichend ist hingegen die Möglichkeit für die Lernenden, sich schriftlich zu beteiligen, da auf diese Weise keine dem physischen Präsenzunterricht vergleichbare Kommunikation ermöglicht wird. Zugleich ist durch technische Instrumente sicherzustellen, dass die Anwesenheit der Lernenden entsprechend einer physischen Präsenzstunde erfasst werden kann. Dies ist mit Blick auf die Gleichbehandlung von physischer und virtueller Präsenz zwingend erforderlich. Dies bedeutet insbesondere dann, wenn der Terminal der heimische Computer ist, dass eine einmalige Einwahl nicht genügt. Zur Erfassung der Teilnahme kommt neben einer Videoverbindung beispielsweise eine technische Vorrichtung in Betracht, die zur Verhinderung eines automatischen Log-out bei Inaktivität in regelmäßigen Abständen eine Aktivität erfordert. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.08.2023 11:27
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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