Aktuell in der ZKM

ChatGPT in Mediation und Schlichtung (Heetkamp/Piroutek, ZKM 2023, 80)

Der Anwendungsbereich von Large-Language-Modellen wie ChatGPT kennt (fast) keine Grenzen. Diese auf künstlicher Intelligenz basierenden Systeme haben u.a. das Potential, die Art und Weise, wie wir Konflikte bewältigen, grundlegend zu verändern. Der Beitrag skizziert im Sinn einer tour d'horizon Szenarien, wie ChatGPT bereits heute sinnvoll in Mediation und Schlichtung integriert werden kann. Der kurze Überblick zeigt: Der Weg zu autonomen KI-basierten Konfliktlösungsverfahren ist bereitet.


A. ChatGPT und Large-Language-Modelle

B. ChatGPT in der Mediation

D. ChatGPT in der Schlichtung

E. Ausblick


A. ChatGPT und Large-Language-Modelle

Large Language Modelle (LLM) – wie etwa das die Berichterstattung dominierende ChatGPT – basieren auf der Technik des maschinellen Lernens und bilden neuronale Netze, welche es dem KI-System ermöglichen, auf Basis der zugrunde liegenden der Trainingsdaten, die vom Nutzer gestellten Fragen oder Arbeitsaufträge (sog. „prompts“) zu beantworten. Dabei handelt es sich bei LLM bekanntermaßen um statistische Modelle, die nicht „Wissen“ abrufen, sondern auf Grundlage einer Analyse von erkannten Textmustern und -zusammenhängen wahrscheinliche Wortfolgen berechnen und als Antwort ausgeben. Daher werden LLM teilweise auch als „stochastische Papageien“ bezeichnet, also mathematisch-basierte Textroboter, die zuvor von Menschen verfasste Textbeiträge neu zusammengesetzt wiedergeben. Dies greift aber zu kurz. Denn LLM sind u.a. in der Lage, die Eingabeinformationen des Nutzers zu kontextualisieren und auf Basis ihrer Trainingsdaten neue Inhalte zu erstellen, die nach den jeweiligen Anforderungen des Nutzers wiederum umstrukturiert oder sprachlich angepasst werden können. Die Anwendungsbereiche und Möglichkeiten von LLM in der Rechtspraxis sind grenzenlos und machen auch vor außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren, wie Mediation und Schlichtung, keinen Halt.

B. ChatGPT in der Mediation

Fragt man ChatGPT, ob es im Rahmen einer Mediation als Mediator tätig sein könne, antwortet das Programm:

„Als künstliche Intelligenz kann ich keine Karriere als Mediatorin verfolgen, da ich nicht über menschliche Erfahrungen, Emotionen und Beziehungen verfüge, die für die Arbeit als Mediatorin von entscheidender Bedeutung sind. Meine Fähigkeiten liegen darin, menschliche Sprache zu analysieren und darauf zu antworten, indem ich Informationen aus einer Vielzahl von Quellen aufnehme und nutze. Ich kann jedoch als Werkzeug dienen, indem ich Informationen bereitstelle oder als Kommunikationsmittel zwischen Konfliktparteien fungiere, wenn eine menschliche Mediatorin anwesend ist. In diesem Sinne kann ich helfen, die Kommunikation zwischen den Parteien zu verbessern und so den Mediationsprozess zu erleichtern.“

Damit sind die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Einsatzes von ChatGPT in außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren schon gut umrissen. Da die Mediation im Kern ein vom Mediator angeleiteter Kommunikationsprozess ist, der insbesondere auch die Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigt, dürfte sich ChatGPT mangels emotionaler Intelligenz in vielen Fällen nicht als Mediator eignen. Gleichwohl sind gewinnbringende Einsatzmöglichkeiten – wie schon von ChatGPT selbst angedeutet – denkbar.

So könnte ChatGPT schon im Vorfeld einer Mediation genutzt werden, um Mediationsinteressierte mit Informationen zum Ablauf einer Mediation zu versorgen. Doch ist hier – wie stets im Umgang mit LLM – Vorsicht geboten. Denn allzu schnell liefert ChatGPT falsche Informationen, die für den Laien nicht ohne weiteres als unzutreffend erkennbar sind (sog. „Halluzinationen“): So antwortet ChatGPT etwa auf die Frage, was das Mediationsgesetz in Deutschland von anderen Ländern unterscheidet, dass eine Mediation in Deutschland nur dann durchgeführt werden dürfe, wenn ein Gericht dem Verfahren zustimmt.

Eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit von ChatGPT im Mediationskontext ist der Gebrauch als Assistenz des menschlichen Mediators. Etwa, indem ChatGPT in festgefahrenen Gesprächssituation zum Brainstormen hinsichtlich des weiteren Vorgehens genutzt wird. Ein Mediator könnte von ChatGPT Fragen zum Konflikt und Zusammenfassungen (etwa hinsichtlich der relevantesten Streitpunkte) entwerfen lassen und diese den Medianden vorlegen. Dabei scheint ein entsprechender Einsatz eher für Wirtschaftsmediationen geeignet, da die Emotionen der Beteiligten hier in vielen Fällen erfahrungsgemäß eine geringere Rolle spielen als beispielsweise bei Mediationen in Familien- und Erbschaftsstreitigkeiten. Auf dieser Sachebene könnte eine Unterstützung des Mediators durch ChatGPT durchaus sinnvoll sein. Perspektivisch könnten z.B. von der Medianden zur Verfügung gestellte Dokumente und Unterlagen von der KI zusammengefasst und ausgewertet und der Mediator auf relevante Punkte hingewiesen werden. Dabei ist der Einsatz von ChatGPT gegenüber den Medianden selbstverständlich offenzulegen.

Mit Blick auf die rechtliche Bewertung des der Mediation zugrunde liegenden Konflikts ist beim Einsatz von ChatGPT größtmögliche Zurückhaltung und Vorsicht geboten, da ChatGPT in dieser Domäne noch große Schwächen aufweist. Mediatoren (insbesondere solche ohne juristische Ausbildung) sollten daher nicht der Versuchung nachgeben, eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch ChatGPT zum Gegenstand der Mediation zu machen.

Hauptanwendungsbereich und -fähigkeit von LLM ist bekanntermaßen die Textgenerierung auf Basis der prompts des Nutzers. Diese Fähigkeit können sich die Mediationsbeteiligten ebenfalls zu Nutze machen. Konkret könnte der Mediator – nachdem mit den Medianden mündlich ein Mediationsergebnis erarbeitet wurde – das Programm anweisen, aus den mitgeteilten Eckpunkten einen Textentwurf zu erstellen, der von den Mediationsbeteiligten anschließend überarbeitet und fortentwickelt werden muss. Die Erstellung des Mediationsergebnisses mit KI-Unterstützung sollte dabei „live“ unter Einbeziehung der Medianden erfolgen, um für größtmögliche Transparenz und Akzeptanz zu sorgen. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.08.2023 15:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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