Landgericht Kiel testet Urteile aus dem Computer

Künstliche Intelligenz hält Einzug in die schleswig-holsteinische Justiz. Erstmals kommt jetzt eine intelligente Urteils-Software zum Einsatz, sogenannte „Legal Technology“. Im Rahmen eines Modellversuchs am Landgericht Kiel sollen Computer den Richtern Entscheidungsvorschläge machen und somit die Verfahren beschleunigen.

Das Landgericht Kiel will erproben, ob die Richterinnen und Richter durch den Einsatz von „Legal Tech“ Massenverfahren mit ähnlich gelagerten Fragestellungen schneller und besser bearbeiten können, sagte die Vize-Präsidentin des Gerichts, Susanne Bracker. Die Urteilsfindung bleibe dabei dem Gericht vorbehalten. Es entscheide also nicht eine künstliche Intelligenz über einen Rechtsstreit. Das neue System solle die Richterinnen und Richter lediglich bei ihrer Arbeit unterstützen, indem es ihnen beispielsweise hilft, die Fälle zu kategorisieren, und auch zeitaufwendige Berechnungen übernimmt.

Das vom Justizministerium organisierte Forschungsprojekt läuft in diesen Tagen an, soll zwei Jahre dauern und bis zu 55.000 Euro kosten. Getestet wird die Urteils-Software zunächst von einer Kammer, in der sich Versicherungsverfahren stapeln. Dabei geht es meist um Versicherte, die gegen eine Beitragserhöhung ihrer privaten Krankenversicherung klagen. Viele Streitfälle ähneln sich so sehr, dass „Legal Tech“ hier sinnvoll eingesetzt werden könnte.

Die Software soll in der Lage sein, die Texte von eingereichten Schriftsätzen zu einem Fall zu durchsuchen, bestimmte Informationen auszulesen und diese nach einer vom Gericht vorgegebenen Entscheidungslogik (Musterfälle) zu behandeln. Anhand dieser Logik schlägt das Programm dem Richter ein Ergebnis und die dazugehörenden Textbausteine vor. Am Ende könne der Richter die Entscheidungen der Maschine an einer grafischen Oberfläche nachvollziehen oder ändern.

Zum Systemstart erhalten die beteiligten Kammerrichter eine gezielte Schulung. Spezialkenntnisse müssen die Juristen nicht mitbringen, weil das System angeblich fast von selbst läuft. Laut Justizministerium kam die Idee zum Einsatz von „Legal Tech“ vom Gericht selbst, weil Massenverfahren sehr viel Zeit kosten, inhaltlich und juristisch jedoch sehr gleichgelagert seien.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.05.2023 14:00
Quelle: Lübecker Nachrichten Online v. 26.4.2023

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