Aktuell in der ZKM

Update zum Singapur-Übereinkommen (Heetkamp, ZKM 2023, 49)

Schon vor über zwei Jahren ist das sog. Singapur-Übereinkommen in Singapur, Fidschi und Katar erstmalig in Kraft getreten und ermöglicht dort seitdem die Anerkennung und Vollstreckung von Mediationsergebnissen in internationalen Handelssachen (siehe für eine ausführliche Darstellung Heetkamp, ZKM 2020, 168 ff.). Mittlerweile haben insgesamt 55 Staaten das Singapur-Übereinkommen unterzeichnet. Von diesen haben zehn Staaten das Übereinkommen ratifiziert, so dass eine Anerkennung und Vollstreckung von Mediationsergebnissen nunmehr in zehn Staaten möglich ist. Mediatoren und anwaltliche Praxis sollten sich daher dringend mit dem Singapur-Übereinkommen auseinandersetzen.


A. Aktueller Stand der Verbreitung des Singapur-Übereinkommens

B. IFG-Anfrage des Verfassers

C. Weitere Rezeption des Singapur-Übereinkommens

D. Seitenblick auf die Haager Übereinkommen

E. Ausblick
 


A. Aktueller Stand der Verbreitung des Singapur-Übereinkommens

Das sog. Singapur-Übereinkommen trat am 12.9.2020 in Singapur, Fidschi und Katar in Kraft.  Es folgte die erfolgreichste Initiierungsphase eines UNCITRAL-Regelwerks  und eine wohlwollende Rezeption in der Fachöffentlichkeit. Innerhalb eines guten Jahres, nachdem das Übereinkommen zur Unterzeichnung ausgelegt wurde, unterzeichneten insgesamt 53 Staaten das Singapur-Übereinkommen – darunter auch ökonomische Schwergewichte wie die USA, China, Südkorea und Indien.

Doch steht zu befürchten, dass dem Singapur-Übereinkommen nach dem fulminanten Start nunmehr die Luft ausgehen könnte. Unterzeichneten 2019 insgesamt 51 Staaten das Singapur-Übereinkommen, waren es 2020 und 2021 jeweils nur zwei Staaten (Ghana und Ruanda bzw. Brasilien und Australien) und 2022 gar kein Staat – damit stagniert die Zahl der Unterzeichnerstaaten bei 55.  Auch die Welle der Ratifizierungen ebbt ab: Während 2020 sechs Staaten das Singapur-Übereinkommen ratifizierten bzw. genehmigten (Belarus, Ecuador, Fidschi, Katar, Saudi-Arabien und Singapur),  waren es 2021 nur drei Staaten (Georgien, Honduras, Türkei) und 2022 nur Kasachstan.

Im Rahmen der Ratifikationen wurde von fünf Staaten mindestens ein Vorbehalt erklärt.  Nach dem Singapur-Übereinkommen dürfen Vertragsstaaten nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 1 sog. Vorbehalte erklären.  Zum einen kann ein Vertragsstaat erklären, dass das Singapur-Übereinkommen keine Anwendung auf solche Vergleichsergebnisse findet, denen er (unmittelbar oder mittelbar durch eine Regierungsstelle oder einen Amtsträger) als Partei angehört. Zum anderen kann die Anwendung des Übereinkommens auf solche Fälle beschränkt werden, in denen die Parteien des Mediationsergebnisses der Anwendung des Singapur-Übereinkommens explizit zugestimmt haben (nationale „Opt-in“-Möglichkeit  ).  So werden Weißrussland, Saudi-Arabien, Georgien, Iran und Kasachstan das Singapur-Übereinkommen nicht auf solche Mediationsergebnisse anwenden, denen sie (mittelbar) als Partei angehören. Iran, Georgien und Kasachstan haben den Vorbehalt der erforderlichen Zustimmung der Parteien zur Vollstreckung erklärt.

Die sich verlangsamende Verbreitung des Singapur-Übereinkommens könnte auch damit im Zusammenhang stehen, dass (noch) kein Fall bekannt ist, in dem das Singapur-Übereinkommen tatsächlich zu einer internationalen Anerkennung und Vollstreckung eines Mediationsergebnisses geführt hat.

Auch im Vergleich mit dem „großen Bruder“ – dem sog. New York-Übereinkommen  – kann das Singapur-Übereinkommen nicht bestechen.  Das New York-Übereinkommen, das seit 1958 die internationale Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ermöglicht, hat zwar ebenfalls seit 2020 lediglich zehn Ratifikationen zu verzeichnen,  bewegt sich jedoch auf ungleich höherem Niveau: In insgesamt 172 Staaten ist nunmehr eine Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche möglich.

In der EU laufen seit Jahren Hintergrundgespräche zur Frage, ob eine entsprechende Kompetenz zur Unterzeichnung des Singapur-Übereinkommens für die EU besteht oder diese (allein) bei den Mitgliedsstaaten liegt (dazu sogleich unter B.).  Würde die EU für alle 27 Mitgliedstaaten zeichnen, stiege die Zahl der vom Singapur-Übereinkommen erfassten Staaten mit einem Schlag auf über 80 an.

Im Vereinigten Königreich erfolgte im Frühjahr 2022 ein Konsultationsprozess, in dessen Rahmen Stellungnahmen zur Frage eingereicht werden konnten, ob das Vereinigte Königreich dem Singapur-Übereinkommen beitreten sollte.  Nach Auswertung der zwanzig eingegangenen Stellungnahmen hat das Justizministerium des Vereinigten Königreichs nunmehr bekanntgegeben, dass die Regierung beabsichtigt, dem Singapur-Übereinkommen beizutreten.

B. IFG-Anfrage des Verfassers

Schon in Vorbereitung auf die Erstveröffentlichung zum Singapur-Übereinkommen (ZKM 2020, 168 ff.) hatte der Verfasser eine formlose Anfrage an das (damalig so benannte) BMJV gestellt, um den Standpunkt der (damaligen) Bundesregierung zu einem etwaigen deutschen oder europäischen Beitritt zum Singapur-Übereinkommen in Erfahrung zu bringen. Die Antwort des BMJV ließ alle Fragen offen.

Da auch weiterhin keine öffentlich zugänglichen Informationen auffindbar sind, wie sich Deutschland oder die EU zum Singapur-Übereinkommen zu positionieren gedenken, entschied sich der Verfasser zu einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gegenüber dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) und erbat folgende Informationen und entsprechende Unterlagen:
 

  • Welchen Stand hat die Prüfung des Bundesministeriums der Justiz, ob eine Unterzeichnung und Ratifizierung des Singapur-Übereinkommens durch Deutschland oder die EU erfolgt?
  • Gibt es einen Zeitplan, wann das Singapur-Übereinkommen durch Deutschland oder die EU unterzeichnet und ratifiziert werden soll?
  • Gibt es schon konkrete Vorschläge für Durchführungsvorschriften auf EU- oder Bundesebene?


Das BMJ teilte auf die Anfrage mit, dass es einen Streit hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit zur Zeichnung (und Ratifikation) des Singapur-Übereinkommens innerhalb der EU-Mitgliedstaaten gebe. Da sich aber bislang eine – vom BMJ nicht näher benannte – Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten überwiegend kritisch bis ablehnend zum Singapur-Übereinkommen geäußert habe, sehe die EU-Kommission derzeit keine Notwendigkeit für eine abschließende Klärung der vorbenannten Kompetenzfrage. Vor diesem Hintergrund habe sich die Bundesrepublik noch nicht abschließend zum Singapur-Übereinkommen positioniert. Ein weitergehender Anspruch auf Informationszugang bestehe nach § 3 Nr. 1 a) IFG nicht, da das Bekanntwerden der entsprechenden Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen haben könnte. Denn die anderen EU-Mitgliedstaaten vertrauten darauf, dass ihre innerhalb des geschützten Raumes der Experten der Ratsarbeitsgruppe geäußerten Positionen nicht nach außen drängen. Genau aus diesem Grund seien vorliegend entsprechende Drahtberichte als Verschlusssache eingestuft worden. Der gebotene Schutz der internationalen Beziehungen wiege im vorliegenden Fall umso schwerer, als die Verhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht abgeschlossen seien. Ebenfalls sei der Informationszugang nach § 3 Nr. 3 a) IFG zu verweigern, da die Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen beeinträchtigt würden. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.04.2023 15:55
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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