Aus der ZKM

Die interprofessionelle Zusammenarbeit in der Mediation unter Beteiligung von Rechtsanwälten (Kilian, ZKM 2022, 84)

Mit Wirkung zum 1.8.2022 wird der Rechtsrahmen für die berufliche Zusammenarbeit der Rechtsanwaltschaft mit anderen Berufen umfassend reformiert und liberalisiert. Für die Mediation bieten sich hierdurch neue Perspektiven der Berufsausübung, über die dieser Beitrag informiert.


I. Zeitenwende

II. Zusammenarbeit in der interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft

1. Die gesetzliche Grundentscheidung

2. Konkrete Klärung der Zulässigkeit der interprofessionellen Berufsausübung

3. Anforderungen an die interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaft

4. Anforderungen an die in der Gesellschaft tätigen Mediatoren

III. Zusammenarbeit in der interprofessionellen Bürogemeinschaft

IV. Zusammenarbeit in der interprofessionellen Kooperation

V. Ausblick


I. Zeitenwende

Vor 22 Jahren ist in der ZKM eine längere Abhandlung über die interprofessionelle Zusammenarbeit bei der Mediation erschienen.  Bereits damals, als die Mediation noch ein vergleichsweise junges Phänomen in Deutschland war, stand außer Frage, dass die Zusammenführung unterschiedlicher fachlicher Kompetenzen in der Mediation überaus sinnvoll sein und Medianden ein Mehr an professioneller Leistung bieten kann. Die Tatsache, dass eine Mediation, um eine besonders strapazierte Formulierung zu verwenden, „im Schatten des Rechts“ erfolgt, bedingt, dass bei der Klärung möglicher Modelle der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Mediation meist die Beteiligung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts im Fokus steht. Traditioneller Befund war, dass in der Mediation enge Formen der Zusammenarbeit unter Beteiligung eines Rechtsanwalts nicht möglich sind, weil Rechtsanwälten die Beteiligung sowohl an einer Berufsausübungsgesellschaft als auch an einer bloßen Bürogemeinschaft nach dem Berufsrecht der Anwaltschaft (§ 59a Abs. 1 bzw. Abs. 3 BRAO a.F.)  nur erlaubt war, wenn die weiteren Mitglieder eines solchen Zusammenschlusses Angehörige eines verkammerten Beratungsberufs waren (Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Notar).  Gerichtsbekannt gewordene Versuche von Rechtsanwälten und Mediatoren, gleichwohl eine Berufsausübungsgesellschaft zu begründen,  hatten angesichts der eindeutigen Rechtslage wohl eher den Charakter eines symbolhaften Protests gegen die bestehende Rechtslage. Möglich war Mediatoren ohne Anwaltszulassung nach überkommenem Recht ausschließlich eine Zusammenarbeit mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der lockeren Form einer Kooperation. In einer Kooperation können aber weder Mediationsaufträge noch Büroräumlichkeiten oder Personal geteilt werden und damit Synergien einer interprofessionellen Berufsausübung nur sehr eingeschränkt gehoben werden.

Unter anderem die vorstehend skizzierte, im Berufsrecht der Anwaltschaft wurzelnde rechtliche Ausgangslage hat zu einer starken Präsenz von Anwaltmediatoren in der Mediation beigetragen, lassen sich doch bei der Vereinigung der Anwalts- und der Mediatorenfunktion in einer Person die beschriebenen rechtlichen Probleme vermeiden. Kehrseite der Medaille ist freilich, dass die allermeisten Anwaltmediatoren ein eher geringes Aufkommen an Mediationen haben. Ihre Haupttätigkeit ist nolens volens die klassische Anwaltstätigkeit geblieben. Nur wenigen, in der Mediationsszene meist wohlbekannten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten ist gleichsam ein Rollenwechsel gelungen, in dessen Folge bei ihnen nun die Mediatorentätigkeit ganz im Zentrum des Berufsalltags steht. Aus Sicht der Mediation war diese Entwicklung der Visibilität der Mediation als Konfliktlösungskonzept und der Professionalisierung der Mediatorentätigkeit nicht eben zuträglich.

Dieser Befund – allgemein konsentierte Nützlichkeit von Interprofessionalität in der Mediation einerseits, rechtsdienstleistungs- und berufsrechtliche Hürden bei der Zusammenführung dieser Kompetenzen in Organisationsformen, die eine Vergesellschaftung mit sich bringen, anderseits, – ändert sich mit Wirkung zum 1.8.2022. Das, wie es etwas sperrig heißt, „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ wird es künftig Rechtsanwälten und Steuerberatern erlauben, sich in deutlich größerem Umfang als bislang an Modellen der interprofessionellen Berufsausübung zu beteiligen. Nachdem der Gesetzgeber 2008 im Zuge der Reform des Rechtsdienstleistungsrechts noch eine seinerzeit vom Bundesministerium der Justiz vorgeschlagene Liberalisierung verworfen hatte, zwang ihn nun eine bereits 2016 ergangene Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der interprofessionellen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Ärzten und Apothekern zu einer Neuordnung des Rechtsrahmens . Diese Neuordnung hat für die Mediationslandschaft Auswirkungen vor allem in zwei Bereichen:

Zum einen werden Mediatoren, die über keine Anwaltszulassung und damit über keine Rechtsdienstleistungsbefugnisse verfügen, sich erstmals mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin in einer Bürogemeinschaft oder einer Berufsausübungsgesellschaft zusammenschließen können.

Zum anderen wird es Anwaltmediatoren nicht nur möglich werden, sich mit Mediatoren zusammenzuschließen, die nicht über eine Anwaltszulassung verfügen. Sie können auch eng mit Berufen zusammenarbeiten, deren Kompetenzen für eine Mediation nützlich sind, ohne dass die Angehörigen dieser Berufe zwingend selbst über eine Qualifikation als Mediator verfügen müssen.

II. Zusammenarbeit in der interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft

Die weitgehendste Form der interprofessionellen Zusammenarbeit ist jene in einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft, deren Zweck auch oder ausschließlich die Erbringung von Mediationsleistungen ist. In einer solchen werden entsprechende Aufträge von der Gesellschaft angenommen und erfüllt, ihre Gesellschafter aus den verschiedenen beteiligten Berufen teilen insofern über ihre Gesellschafterstellung die Aufträge der Gesellschaft und die resultierenden Erträge (oder auch Verluste). Bislang war eine solche intensive Form der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Mediation unter Beteiligung von Rechtsanwälten nicht möglich. Künftig bieten sich deutlich erweiterte Möglichkeiten – nicht nur in der Kombination von Mediatoren und Rechtsanwälten, sondern auch unter Beteiligung weiterer Berufe, die entweder das Leistungsportfolio einer solchen Gesellschaft über die Mediation und Rechtsdienstleistung erweitern können oder bei einer auf diese Leistungen beschränkten Gesellschaft für diese wichtige „dienende“ Funktionen haben können – etwa Ökonomen auf der Ebene der Geschäftsführung oder IT-Spezialisten, die das notwendige Know-how für online-basierte Leistungsangebote sicherstellen.

1. Die gesetzliche Grundentscheidung

Die Reichweite der Erweiterung der Möglichkeiten einer derartigen interprofessionellen Berufsausübung für Rechtsanwälte war der rechts- und berufspolitisch wohl umstrittenste Aspekt der Reformen des anwaltlichen Berufsrecht.  Im Zuge des Gesetzgebungsverfahren standen drei denkbare Modelle ernsthafter in der Diskussion, deren Umsetzung für die Mediationsszene sehr unterschiedliche Weiterungen nach sich gezogen hätten: Die Bundesrechtsanwaltskammer wollte die Möglichkeit interprofessioneller Berufsausübung nur Angehörigen eines eng gefassten, in seiner Zusammensetzung nicht transparenten Katalogs freier Berufe ermöglichen. Der Mediator als solcher war in diesem Vorschlag nicht genannt. Der Ansatz der Bundessteuerberaterkammer war noch enger, sie wollte überhaupt nur Angehörige jener wenigen verkammerten Freiberufe erfassen, die nach überkommenen Recht noch nicht sozietätsfähig waren. Bundessteuerberaterkammer und Bundesrechtsanwaltskammer hätten also, wenn es nach ihrem Willen gegangen wäre, die Tür zur Interprofessionalität nur in so geringem Maße geöffnet, dass Mediatoren ausgeklammert geblieben wären. Recht weitgehend war hingegen der Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins – er plädierte dafür, dass eine interprofessionelle Zusammenarbeit unter Beteiligung aller i.S.v. § 7 Nr. 8 BRAO vereinbaren freien und gewerblichen Berufe zulässig sein sollte. Bei diesem Ansatz wären Mediatoren ebenso erfasst wie praktisch alle anderen denkbaren Quellberufe.

Der Gesetzgeber hat sich für eine vermittelnde Lösung entschieden, die für die Mediationslandschaft günstig ist: Nach § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRAO wird künftig über den Kreis der bereits heute sozietätsfähigen Berufe (neu geregelt in § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 BRAO) jeder freie Beruf i.S.v. § 1 Abs. 1 PartGG sozietätsfähig, soweit der Beruf mit der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege vereinbar ist. Gewerbliche Berufe sind damit weiterhin nicht sozietätsfähig und können in eine Gesellschaft, die Mediation unter Beteiligung von Rechtsanwälten anbieten will, nicht eingebracht werden. Der Gesetzgeber begründet seine Entscheidung mit dem Argument, dass für den Anwaltsberuf die Unabhängigkeit prägend (§§ 1, 3 Abs. 1, 43 Abs. 1 BRAO) und ihr Schutz nur bei der Zusammenarbeit mit (anderen) freien Berufen sichergestellt sei, weil diese ebenfalls durch eine unabhängige Berufsausübung gekennzeichnet seien. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.06.2022 14:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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