Bundesrechtsanwaltskammer fordert mehr praktische Erfahrung vor der Zertifizierung als Mediator

Mit Blick auf den beim Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) initiierten Web-Erfahrungsaustausch „Mediation in Zeiten von COVID-19“ und die vom BMJV geplante Konferenz „Stärkung der Mediation: Qualitäts- und Reputationssteigerung durch mehr staatlich Regulierung?“ am 28.05.2021 nimmt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) u.a. zur Diskussion um eine Reform der Mediatorenausbildung Stellung. In diesem Zusammenhang hat sich die BRAK auch mit der „1. Frankfurter Erklärung des Qualitätsverbundes Mediation (QVM)“ auseinandergesetzt.

Ziel des QVM ist es, neben der normierten Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV) einen gemeinsamen Ausbildungsstandard zu etablieren, der u. a. einen Mediationslehrgang mit 200 Zeitstunden statt bisher 120 vorsieht; zudem soll eine gemeinsame Institution zur Überprüfung und Bestätigung der zertifizierten Mediatoren geschaffen werden. Dafür sieht die BRAK allerdings keinen sachlichen Grund. Was stattdessen fehle, sei die in der regelmäßigen Praxis gewonnene Sicherheit in der Verfahrensleitung und damit die praktische Erfahrung der angehenden Mediatoren. Dies entspräche insbesondere auch den Erkenntnissen des Evaluationsberichts der Bundesregierung zum Mediationsgesetz, wonach die befragten Mediatoren eben nicht die unzureichende Anzahl an Ausbildungsstunden bemängelten, sondern ausdrücklich auf die fehlende praktische Erfahrung abstellten.

Vor dem Hintergrund, dass gemäß § 5 Abs. 1 MediationsG bereits der „einfache“ Mediator über „praktische Erfahrungen“ verfügen muss, stellen die erst im Nachgang zur Zertifizierung zu erfüllenden Praxisanforderungen des „zertifizierten“ Mediators nach Ansicht der BRAK nicht nur einen Systembruch dar, sondern lasse die gewollte Unterscheidung der beiden Mediatoren-Stufen („einfach“ versus „zertifiziert“) verschwimmen. Zudem drohe eine Inflation bei der Titelführung des zertifizierten Mediators, weil derzeit niemand kontrolliere, ob dieser innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der theoretischen Ausbildung vier Mediationen eigenständig geleitet habe. Zur dauerhaften Qualitätssicherung sei daher die Etablierung eines ebenso praktikablen wie zuverlässigen Kontrollsystems notwendig.

Anders als vom QVM gefordert, ist es jedoch aus Sicht der BRAK nicht erforderlich, hierfür eine „gemeinsame Institution“ zu schaffen. Da es sich in Deutschland beim „Zertifizierten Mediator“ aktuell noch in der deutlichen Mehrzahl um eine Zusatzbezeichnung im Rahmen von ganz unterschiedlichen Quellberufen handelt, sollte man bei der Etablierung eines Kontrollsystems nicht Überregulierung, sondern Augenmaß walten lassen. Als niedrigschwellige und effizient Lösung böte es sich an, die Ausbildungsinstitute in den Zertifizierungsprozess einzubinden. Deshalb sei es ausreichend, wenn die Ausbildungsstellen den Nachweis der Praxiserfahrung kontrollierten und die Zertifizierung erst danach abgeschlossen sei. Mit anderen Worten: Erst mit Durchführung der Ausbildungsanforderungen nach § 2 Abs. 2 bis 6 ZMediatAusbV (120 Stunden inkl. supervidiertem Praxisfall) sowie Durchführung und Supervision von vier weiteren Praxisfällen gemäß § 4 ZMediatAusbV hätte der Mediator die inhaltlichen Voraussetzungen für die Zertifizierung erfüllt. Für den Fall, dass der Verordnungsgeber ein staatliches Kontrollsystem bevorzugt, empfiehlt die BRAK, auf die etablierten Strukturen des Kammersystems bzw. das Bundesamt für Justiz zurückzugreifen.

Ferner geht die BRAK in der Stellungnahme auf die unter anderem vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemiesituation geführte Diskussion über Online-Mediation und Online-Mediationsausbildung ein.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.02.2021 14:18
Quelle: Stellungnahme Nr. 6/2021 der BRAK aus Januar 2021

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