Aus der ZKM

Moderative Kompetenz und digitale Unerschrockenheit

von Dipl.-Psych. Alexandra Bielecke, M.A.

Digitales Arbeiten überzeugte während der Corona-Pandemie im Eiltempo selbst skeptische Führungskräfte, Mitarbeitende, Einzelunternehmer und Privatpersonen. Die Kollegen im eigenen Wohnzimmer treffen, Konzepte kurzfristig in einem virtuellen Konferenzraum über digitale Kollaborationstools erarbeiten und Arbeitsprozesse über Organisationsplattformen steuern. Teilweise arbeiteten die Menschen deutlich konzentrierter und effizienter zusammen als in den hergebrachten Präsenzstrukturen. Doch virtuelle Arbeitsformen haben auch Nachteile. In der nun vor uns liegenden Zeit gilt es, hybride Arbeits- und Besprechungsmodelle zu entwickeln, um die Vorteile der virtuellen Möglichkeiten zu erhalten und auszubauen und ihre Nachteile zu minimieren. Dieser Beitrag bündelt Best Practices. Ziel ist es, Mediatorinnen wie Konfliktparteien zur praktischen Nutzung hybrider Besprechungen zu ermutigen und dabei sorgsam auf die Besonderheiten zu achten.

Wir blicken auf einen mehrmonatigen Zeitraum zurück, in dem wir nahezu vollständig virtuell gearbeitet haben und die vielfältigen Vorteile zu schätzen gelernt haben. Die zwischenzeitliche Rückkehr einiger Mitarbeitenden an den Präsenzarbeitsplatz eröffnete die Notwendigkeit, sich über die Kombination aus virtueller und präsenter Arbeit Gedanken zu machen. Entstanden sind hybride Konzepte, die das Beste aus beiden Welten zusammenführen.

Dieser Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit der Planung und Durchführung hybrider Besprechungen. Dabei wird insbesondere auf Konfliktgespräche und -moderationen fokussiert, die erhöhte Anforderung an die technische Ausstattung und die Moderation stellen.

1. Was sind „hybride“ Arbeitsformen?

Von hybriden Besprechungen bzw. Mediationen sprechen wir, wenn wir Online- und Live-Kommunikation miteinander kombinieren. Konkret bedeutet es, dass sich einige der Teilnehmenden gemeinsam im physischen Besprechungsraum befinden und andere über Videokonferenztools, wie z.B. Skype, CiscoWebEx, MicrosoftTeams, Zoom, BigBlueButton, Wire oder eine andere Software zeitgleich virtuell und live dazu geschaltet sind.

Eine der wichtigsten und zugleich größten Herausforderungen besteht darin, eine gute technische und zwischenmenschliche Brücke zwischen den physisch und den virtuell anwesenden Menschen zu schaffen. Ziel ist es, alle Personen gleichermaßen zu beteiligen, ihnen zu jedem Zeitpunkt eine Orientierung im Prozess zu ermöglichen, die Zusammenarbeit und den Austausch möglichst reibungsfrei zu gestalten und die Atmosphäre beider Orte gewinnbringend zu verknüpfen. Tücken sind dabei in beiden Systemen zu finden. Die Kombination beider Systeme potenziert die Herausforderung für alle Beteiligten. Dieser Beitrag stellt verschiedene Erfahrungen mit dieser Arbeitsweise zur Verfügung.

2. Technische Ausstattung als erfolgsbestimmender Faktor

Wie gut die Verbindung beider Welten gelingt, wird maßgeblich von der zur Verfügung stehenden Technik und der digitalen Kompetenz aller Beteiligten im physischen Konferenzraum und im Homeoffice bestimmt. Für die Moderatorin hybrider Besprechungen wird es leichter, je hochwertiger die technische Ausstattung ist.

Für die Mindestausstattung wird eine Videokamera mit Zoom- und Schwenkfunktion empfohlen, die unterschiedliche Betrachtungswinkel innerhalb des Raumes erfasst. Alternativ zu einer Kamera mit 360º-Perspektive können verschiedene Kameras eingesetzt werden, die zwischen einzelnen Teilnehmenden, der gesamten Raumperspektive, Flipcharts und Stellwänden usw. wechseln können. Um eine hohe Tonqualität sicherzustellen, werden mehrere Mikrofone und eine Video- und Tonschnittstelle benötigt.

Erleichternd ist es für alle Beteiligten, wenn mindestens zwei große Bildschirme für die online anwesenden Personen und für Dokumente vorhanden sind. Werden kollaborative Tools verwendet, sollten die Teilnehmenden bei Bedarf Zugriff haben und mindestens zeitweise an ihrem jeweils eigenen Notebook arbeiten können.

Die Empfehlungen, wie viel Aufmerksamkeit die Technik bekommen sollte, variiert sehr stark je nach Affinität der Beteiligten (Moderation und Konfliktbeteiligte). Die Gefahr, dass aus einem hybriden Meeting ein digitales Meeting wird, ist nicht zu unterschätzen.

Dem Rat, dass grundsätzlich alle Personen mit einem eigenen Notebook im physischen Konferenzraum vertreten sein sollten, sobald auch nur eine Person aus dem Homeoffice zugeschaltet ist, würde ich dennoch nur begrenzt folgen. Ausschlaggebend wäre für mich, dass die vorhandene technische Ausstattung einen vollständigen Dialog ohne Übertragungsdefizite zulässt und dass kollaborative Tools – dann unter Nutzung der Notebooks – verwendet werden.

3. Vorbereitung

Grundsätzlich läuft eine hybride Mediation in den gleichen Phasen und mit denselben Moderations- und Kommunikationstechniken ab, wie eine reine Präsenz- bzw. Online-Mediation. Dennoch gibt es Besonderheiten:

Einer der wichtigsten Prozessschritte liegt in einer sehr guten Vorbereitung. Für die Mediatorin ist es deshalb bereits in der Auftragsklärung ein zu klärender Punkt, dass alle Personen mit einer qualitativ hochwertigen technischen Ausrüstung ausgestattet sind und nach Möglichkeit eine technische Unterstützung vor Ort eingebunden werden kann.

Ratsam ist es, die Beteiligten vorab darüber zu informieren, welche Tools benutzt werden. Es bieten sich zudem Vorabtermine an, an denen das Videokonferenz-System und kollaborative Tools erprobt sowie die Internetverbindung auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft werden können (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.02.2022 13:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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