Gutachten: Unternehmen informieren über außergerichtliche Streitbeilegung, nehmen aber nicht daran teil

Das Bundesministerium der Justiz hat die AFC Public Services GmbH in Kooperation mit Prof. Dr. Wolfgang Voit, Philipps-Universität Marburg, mit der Durchführung eines Forschungsvorhabens zu den Informationspflichten der §§ 36, 37 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) betraut. Das Bundesministerium der Justiz hat den Abschlussbericht des Forschungsprojekts nunmehr auf seiner Webseite veröffentlicht.

Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: Die Unternehmen erfüllen die Informationspflichten nach § 36 VSBG, auf einer von ihnen veröffentlichten Webseite zu erklären, ob sie bereit oder verpflichtet sind, an einem Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, zu einem überwiegenden Teil. Dabei kommen vorrangig Großunternehmen in den meisten Fällen dieser Verpflichtung nach. Allerdings wird im Bereich des Handels und der Dienstleistungen überwiegend erklärt, nicht an einer Verbraucherschlichtung teilnehmen zu wollen. Dagegen besteht in den Bereichen Versicherungen und Finanzen eine sehr hohe Teilnahmebereitschaft.

Grund für die unterschiedliche Ausprägung der Teilnahmebereitschaft sind strukturelle Unter-schiede. Diese ergeben sich aus dem Spezialisierungsgrad der Schlichtungsstelle, der je nach Branche und Aufgabenbereich der Schlichtungsstelle unterschiedlich ausgeprägt ist, den Anforderungen an die Aufklärung eines Sachverhalts, die je nach dem Gegenstand des Streits erheblich differieren können, den Gewinnspannen pro Kundin bzw. Kunde und dem wirtschaftlichen Interesse an einer Kundenbindung sowie aus unterschiedlichen Kulanz- und Streitbeilegungsmechanismen der Unternehmen im Vorfeld einer Streitschlichtung durch eine Verbraucherschlichtungsstelle.

Die Heranziehung zu Kosten und die Höhe der Kosten werden von den betroffenen Unternehmen sehr unterschiedlich bewertet. In Teilbereichen des Handels und der Dienstleistungen werden bereits Kosten in Höhe von 50 bis 70 € je Verfahren als zu hoch eingeschätzt, während in anderen Branchen deutlich höhere Kosten akzeptiert werden. In den Bereichen, in denen ein hoher Anteil der Unternehmen einem Trägerverein angehört und sich diesem gegenüber zur Teilnahme an einem Verbraucherschlichtungsverfahren verpflichtet hat, ist nicht nur die Zahl der erzielten Einigungen deutlich höher, sondern auch die Akzeptanz der entstehenden Kosten. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten deutlich über dem Betrag von 50 bis 70 € liegen.

Missbräuchliche Beschwerden von Kundinnen oder Kunden werden nur sehr selten befürchtet; vielfach wird darauf hingewiesen, dass diese hinzunehmen seien. Kritisch wird von einigen befragten Akteurinnen und Akteuren gesehen, dass das Unternehmen auch bei einer unbegründeten Beschwerde zur Kostentragung herangezogen werden kann. Einige Verbraucherschlichtungsstellen sehen in einem solchen Fall von einer Kostenerhebung bei den Unternehmen ab. Nähere Informationen dazu erhalten Sie in der April-Ausgabe der ZKM.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.02.2022 13:50
Quelle: Abschlussbericht „Einhaltung der Informationspflichten der §§ 36, 37 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz“, Bonn 11.1.2022

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