Neue Grundsatzentscheidung: Bundesgerichtshof verneint Kostenerstattung für Anwaltskosten in obligatorischen Güteverfahren

Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren sind keine erstattungsfähigen Vorbereitungskosten des späteren Rechtsstreits, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (v. 24.06.2021, Az.: V ZB 22/20).

Hintergrund der Entscheidung ist ein Nachbarrechtsstreit aus Brandenburg. Vor der Einleitung des Verfahrens hatten die Kläger, wie nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Brandenburgisches Schlichtungsgesetz (BbgSchlG) in Verbindung mit § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO erforderlich, die Gütestelle angerufen. Ein Einigungsversuch war daran gescheitert, dass in dem Gütetermin zwar die Kläger mit ihren späteren Prozessbevollmächtigten, nicht aber die Beklagten erschienen waren. Die Kläger beantragten daraufhin, die Kosten der anwaltlichen Vertretung in dem Schlichtungsverfahren in Höhe von rund 380 Euro gegen die Beklagten festzusetzen. Das Landgericht Frankfurt/Oder hielt die Kosten jedoch für nicht erstattungsfähig.

Das sah der BGH genauso. Zwar sei das Güteverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine spätere Klage ein notwendiges Durchgangsstadium für die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte. Das rechtfertige es aber noch nicht, die dort angefallenen Anwaltskosten als Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen.

Das obligatorische Güteverfahren diene allein der Streitvermeidung, das Verfahren vor der Gütestelle sei einfach strukturiert und könne von den Parteien in aller Regel persönlich und in zumutbarer Weise bewältigt werden. Die Parteien könnten zwar mit Anwalt erscheinen, notwendig sei die anwaltliche Vertretung aber nicht. Die einvernehmliche Streitbeilegung bleibe auch bei einer anwaltlichen Vertretung das Ziel. Eine Vorbereitung des Rechtsstreits unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten sei mit dem obligatorischen Güteverfahren nicht beabsichtigt.

Wörtlich heißt es weiter in dem Beschluss: „Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des § 15a EGZPO die Förderung der Einigungsbereitschaft der Parteien durch ein Verfahren, in dem Umstände berücksichtigt werden können, die in einem Zivilprozess keine Rolle spielen (vgl. BT-Drucks. 14/980 S. 5). So sind etwa nachbarrechtliche Streitigkeiten deshalb zum Gegenstand eines obligatorischen Güteverfahrens gemacht worden, weil bei ihnen die Wiederherstellung und Erhaltung der Sozialbindung zwischen den Parteien im Vordergrund steht. Die Vorstellung des Gesetzgebers geht dahin, dass dies eher durch eine einverständlich getroffene zukunftsorientierte Regelung erreicht werden kann als durch eine gerichtliche Entscheidung (BT-Drucks. 14/980 S. 6). Sinn und Zweck auch des obligatorischen Güteverfahrens ist daher die Vermeidung eines streitigen Verfahrens durch eine konsensuale Streitbeilegung, was zugleich zur Entlastung der Gerichte beitragen soll. Dass dieses Ziel nicht in jedem Fall erreicht werden kann, ist der gesetzlichen Konstruktion immanent. Die Parteien werden verpflichtet, das Verfahren zu durchlaufen, auch wenn sie (zunächst) nicht kompromissbereit sind. Der Termin vor der Gütestelle soll ihnen Gelegenheit geben, die eigene Position zu überdenken und die Möglichkeiten einer Einigung auszuloten, bevor ein unter Umständen zeitaufwändiger und kostenintensiver Rechtsstreit angestrengt wird.“



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2021 10:11
Quelle: BGH, Beschl. v. 24.6.2021 – V ZB 22/20

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