Aus der ZKM

Mediation in der Unternehmenskrise - Neue Impulse durch das StaRUG

von Jörg Schneider-Brodtmann, Rechtsanwalt und Zertifizierter Mediator

Das Anfang 2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) schafft erstmals einen gesetzlichen Rahmen für die außergerichtliche Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen im Falle einer drohenden Insolvenz. Mit dem Gesetz werden die neuen Rollen des Restrukturierungsbeauftragten und des Sanierungsmoderators geschaffen. Der Beitrag stellt diese Rollen vor (I.), analysiert, inwieweit diese Bezüge zur Mediation aufweisen (II.), und beschreibt, welche Tätigkeitsfelder sich dadurch für Mediatoren im Sanierungs- und Restrukturierungsumfeld künftig ergeben (III.).

I. Neue gesetzliche Rollen: Restrukturierungsbeauftragter und Sanierungsmoderator

1. Regelungsgegenstand und Ziele des StaRUG

2. Rolle und Aufgaben

a) Restrukturierungsbeauftragter

b) Sanierungsmoderator

II. Bezüge zur Mediation

1. Materialien zum StaRUG und zur Restrukturierungsrichtlinie

2. Stellungnahmen in der Literatur

3. Mediatoren im Sinne des Mediationsgesetzes?

a) Restrukturierungsbeauftragter

b) Sanierungsmoderator

c) Zwischenergebnis

III. Neue Aufgaben für Mediatoren?

1. Mediation im Insolvenzverfahren und in der freien Sanierung

a) Vorteile des Einsatzes von Mediationstechniken

b) Bedeutung in der Praxis

2. Mediation bei Sanierungen und Restrukturierungen nach dem StaRUG

a) Anforderungen an Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren

b) Eigenständiges Tätigkeitsfeld für Mediatoren?

IV. Fazit


I. Neue gesetzliche Rollen: Restrukturierungsbeauftragter und Sanierungsmoderator

1. Regelungsgegenstand und Ziele des StaRUG


Am 1.1.2021 ist nach einem rekordverdächtig kurzen Gesetzgebungsverfahren das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) v. 22.12.2020 in Kraft getreten.  Mit dem StaRUG wurde u.a. die EU-Richtlinie zum Präventiven Restrukturierungsrahmen aus dem Jahr 2019 in das deutsche Recht umgesetzt.

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG bietet einen dem Insolvenzverfahren vorgelagerten und von diesem unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Dieser beinhaltet einen modularen Rahmen von Verfahrenshilfen (im Gesetz „Instrumente“ genannt), welche der Schuldner im Zuge eines von ihm verfolgten Restrukturierungsvorhabens ohne formale Verfahrenseröffnung und unabhängig voneinander mit gerichtlicher Hilfe in Anspruch nehmen kann. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist allein die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht.

Damit schließt der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG die Lücke zwischen dem Insolvenzfahren als einem rechtsförmlichen und integrierten Gesamtverfahren und der in Deutschland bisher nicht gesetzlich geregelten außergerichtlichen „freien“ Sanierung als einem parteiautonomen und rein konsensualen Verfahren.  Im Vordergrund stehen nach der Gesetzesbegründung die private Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Beteiligten mit dem Ziel, die Kreativität, Flexibilität und Effizienz privatautonomen Handelns fruchtbar zu machen, die für die Praxis der freien Sanierung prägend ist und zu welcher der neue präventive Rahmen die Brücke schlägt.

2. Rolle und Aufgaben

a) Restrukturierungsbeauftragter


Als Bestandteil des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens schafft das StaRUG in §§ 73 ff. eine neue Rolle in Person des Restrukturierungsbeauftragten. Dieser ist unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere im Interesse besonders schutzbedürftiger Gläubiger wie Verbrauchern sowie Kleinst- oder kleinen Unternehmen – von Amts wegen (obligatorischer Restrukturierungsbeauftragter), im Übrigen nur auf Antrag des Schuldners oder einer bestimmten Gruppe von Gläubigern (fakultativer Restrukturierungsbeauftragter) durch das Restrukturierungsgericht zu bestellen. Als Restrukturierungsbeauftragter kann nur ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation bestellt werden, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist und ihre Aufgaben unparteiisch wahrzunehmen hat.

Zu diesen Aufgaben gehört, je nach Ausgestaltung, neben der Unterstützung der Parteien bei der Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzepts und der Aushandlung eines darauf beruhenden Restrukturierungsplans auch die Überwachung der Geschäftsführung des Schuldners, insbesondere bei der Erfüllung der den Gläubigern nach dem Plan zustehenden Ansprüche (Planüberwachung).

b) Sanierungsmoderator

Unabhängig vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und dessen Instrumenten sieht das StaRUG in §§ 94 ff. im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners auf dessen Antrag die Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung eines Sanierungsmoderators vor. Dabei muss es sich um eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Beteiligten unabhängige Person handeln. Seine Aufgabe ist es, zwischen dem Schuldner und den Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten zu vermitteln, primär mit dem Ziel des Abschlusses eines Sanierungsvergleichs.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers kommt eine Sanierungsmoderation insbesondere für solche Kleinst- und kleine Unternehmen in Betracht, die sich eine Beratung und Unterstützung durch professionelle Sanierungsberater zur Herbeiführung einer freien Sanierung nicht leisten können, aber auf Unterstützung von dritter Seite angewiesen sind. Sie kann sich darüber hinaus für jede Art von Schuldner anbieten, wenn in Sanierungsverhandlungen ein Bedürfnis für eine neutrale Vermittlerperson besteht, oder als Vorstufe zur möglichen Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens.

Wie der Restrukturierungsbeauftragte unterliegt der Sanierungsmoderator der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts und erstattet diesem Bericht, übt seine Tätigkeit ansonsten aber außerhalb des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach dem StaRUG aus. Ein unter Vermittlung des Sanierungsmoderators zwischen Schuldner und Gläubigern geschlossener Sanierungsvergleich kann auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt werden. Schließlich kann ein Übergang von der Sanierungsmoderation in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen erfolgen, wenn der Schuldner dessen Instrumente in Anspruch nehmen möchte. In diesem Fall kann das Restrukturierungsgericht den Sanierungsmoderator zum Restrukturierungsbeauftragen bestellen, womit dessen bisheriges Amt als Sanierungsmoderator automatisch endet.

II. Bezüge zur Mediation

Aufgrund der vorstehenden Beschreibung von Rolle und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten und des Sanierungsmediators drängt sich eine Parallele zur Mediation auf. Es stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit das Leitbild eines Mediators bei der Konzeption der neuen gesetzlichen Rollen prägend war.

1. Materialien zum StaRUG und zur Restrukturierungsrichtlinie

Anders als im StaRUG selbst, dass die Begriffe Mediation oder Mediator nicht verwendet, wird in der Begründung zum Regierungsentwurf im Zusammenhang mit der Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten explizit ein Bezug zur Mediation hergestellt:

„Es geht also – anders als im Fall der notwendigen Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten [...] – für den fakultativen Beauftragten im Ausgangspunkt nicht darum, zum Schutz von Gläubigerinteressen den Schuldner zu überwachen oder die Voraussetzungen für Eingriffe in Gläubigerrechte zu prüfen, sondern im Interesse aller Beteiligten den Restrukturierungsprozess voranzubringen, Informationsasymmetrien auszugleichen und als Mediator oder Vermittler der verschiedenen Interessen zu fungieren, der mit seinem Know-how in Sanierungsfragen in der Lage ist, zu helfen, diese ,unter einen Hut zu bringen‘.“

Der deutsche Gesetzgeber liegt damit auf einer Linie mit der Europäischen Kommission, die bereits in ihrem ersten Vorschlag für die Restrukturierungsrichtlinie aus dem Jahr 2016 das Amt eines Restrukturierungsverwalters vorsah, bei dem es sich um einen Mediator zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan oder einen Insolvenzverwalter zur Überwachung der Maßnahmen des Schuldners handeln könne.  Allerdings wurde der Begriff des Mediators in der endgültigen Fassung der Restrukturierungsrichtlinie und deren Erwägungsgründen – aus daraus nicht ersichtlichen Gründen – nicht mehr aufgegriffen. (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.06.2021 15:05
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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