Bayer: Kein Ende im Glyphosat-Streit in Sicht

Mitte Mai 2021 hatten viele Bayer-Aktionäre auf einen Befreiungsschlag bei den Glyphosat-Klagen in den USA gehofft. In einer wichtigen Anhörung vor einem kalifornischen Gericht ging es um den entscheidenden letzten Teil eines milliardenschweren Vergleichs, mit dem der Leverkusener Konzern die künftigen Rechtsrisiken durch den Unkrautvernichter aus dem Weg schaffen will.

Doch eine definitive Entscheidung des Richters Vince Chhabria wird es so schnell nicht geben. Er zeigte sich weiterhin skeptisch gegenüber mehreren Punkten in dem von Bayer vorgeschlagenen Plan und hat weiteren Gesprächsbedarf angemeldet, weil er so komplex ist.

Am Ende der Anhörung am Mittwoch sagte Chhabria, dass es noch einige Zeit dauern könne, bis er eine Entscheidung fällt. Der Richter machte klar, dass er verschiedene Zweifel an dem Deal hat, den Bayer vorschlägt. Außerdem schlug er einen Warnhinweis für die Roundup-Verpackungen vor.

Die erhoffte zügige Freigabe, mit der Bayer einen Schlussstrich unter die Glyphosat-Klagen ziehen will, ist damit nicht in Sicht.

Ohne Zustimmung des Gerichts wird Bayer seinen aktuellen Plan, eine neue Klagewelle in den USA zu verhindern, nicht umsetzen können. Für die bisher vorliegenden Klagen von mehr als 100.000 Amerikanern, die Glyphosat für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen, gibt es hingegen eine feste Lösung. Der Chemiekonzern zahlt mehr als zehn Milliarden Dollar, um die Klagen außergerichtlich beizulegen.

Die Kläger sind fast ausschließlich Privatnutzer, die das Glyphosat unter der Marke Roundup zur Unkrautbeseitigung in ihren Gärten einsetzten. Da Roundup weiterhin frei verkauft wird, ist es wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren weiter gegen Bayer geklagt wird, wenn bei Nutzern Krebserkrankungen auftreten.

An der grundsätzlichen Meinung über Glyphosat hat sich bei Bayer nichts geändert. Der Konzern sieht das Mittel als sicher an und beruft sich auf die Urteile der Zulassungsbehörden in den USA, Kanada und Europa. In den bisherigen Gerichtsprozessen haben die Geschworenen das anders gesehen. Die Jurys gaben dem Roundup-Einsatz eine Mitschuld für die Krebserkrankung der Kläger und verurteilten Bayer zu hohem Schadensersatz.

Die Bayer-Anwälte sehen in den Jury-Urteilen eine eher emotionale und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußende Entscheidung. Bayer gibt an, eine streng wissenschaftliche Bewertung von Glyphosat anzustreben, die ein Expertengremium in den kommenden Jahren erarbeiten soll. Das Urteil dieses Gremiums soll in Prozessen mit künftigen Klägern als Beweismittel einfließen. Sehen die Wissenschaftler keinen erwiesenen Zusammenhang von Lymphdrüsenkrebs und Glyphosat, hätte das aus Bayer-Sicht eine gewünschte, abschreckende Wirkung. Richter Vince Chhabria ist bislang allerdings von der Sinnhaftigkeit des Wissenschaftsgremiums nicht überzeugt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.05.2021 14:36
Quelle: Handelsblatt v. 19.5.2021

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