Aktuell in der ZKM

Regulierung der Mediation: Cui bono? (Martin Fries)

Der gesetzgeberische Rahmen für die Mediation steht wieder einmal auf dem Prüfstand. Was kann und was sollte der Gesetzgeber tun, um die einvernehmliche Streitbeilegung voranzubringen? Welche Regeln könnten durchgreifenden Erfolg haben und welche nützen nur Partikularinteressen oder schaffen schlicht neue Bürokratie? Womöglich liegt der Schlüssel zum Durchbruch der Mediation auf unerwartetem Terrain: Wir sollten nicht die Mediatorenausbildung, sondern die Juristenausbildung in den Blick nehmen!


A.. Regulatorische Maßnahmen zur Förderung der Mediation

I. Was fördern?

II. Warum fördern?

III. Wie fördern?

B. Regeln zur Qualitätssicherung

I. Mediationsqualität in Gefahr?

II. Mediationsqualität messen?

III. Andere oder keine Zertifizierung?

C... Integration der Mediation in das bestehende Rechtsschutzsystem

I... Gerichtsinterne oder gerichtsexterne Mediation?

II. Frühe oder späte Mediation?

D. Fazit
 

Noch vor zehn Jahren war die außergerichtliche Streitbeilegung ein weitgehend unregulierter Bereich. Wer als Mediatorin tätig war oder sich als Partei auf eine Mediation einließ, genoss große Freiheit bei der Konzipierung und Durchführung des Verfahrens. Mit dem Mediationsgesetz 2012 unternahm der Gesetzgeber einen ersten Anlauf, Mediationsverfahren zu fördern und behutsam rechtlich einzuhegen. Im Jahr 2017 folgte mit der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) ein Versuch, einen Standard für die Qualifikation von Mediatoren zu setzen. Im internationalen Bereich kam im Jahr 2020 das Singapurer Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung grenzüberschreitender Mediationsvergleiche hinzu.

Einige Jahre später zeigt nun der Blick in die Praxis, dass sich insgesamt wenig verändert hat. Das wird diejenigen trösten, die schon vor zehn Jahren einen Freiheitsverlust und eine übermäßige Verrechtlichung der Mediation als eines nicht primär rechtsorientierten Verfahrens befürchteten. Allerdings gibt es in jüngerer Zeit auch immer wieder Impulse, der Gesetzgeber möge seine Mediations-Gesetzgebung überarbeiten, um den schon damals verfolgten Zielen der Förderung der Mediation und der Qualitätssicherung endlich entscheidend näherzukommen. Was ist davon zu halten?

Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Entscheidungen, die der Gesetzgeber in der kommenden Legislaturperiode treffen könnte. Zunächst geht es um Maßnahmen zur Steigerung der Bedeutung der Mediation (A.), danach um Regeln zur Qualitätssicherung (B.) und schließlich um die Integration der Mediation in das bestehende Rechtsschutzsystem (C.). Die Untersuchung mündet in ein kurzes Fazit (D.).

A. Regulatorische Maßnahmen zur Förderung der Mediation

Wer die Mediation fördern möchte, sollte begründen können, warum dieses Verfahren förderungswürdig ist, weswegen es förderungsbedürftig ist und welche Maßnahmen den größten Erfolg versprechen.

I. Was fördern?

Bereits vor Ergehen des Mediationsgesetzes haben Risse und Bach vor einem Trend gewarnt, die Mediation ohne nähere Begründung zu einem überlegenen Streitbeilegungsverfahren hochzustilisieren. Die Begründung zum Mediationsgesetz lässt derweil erkennen, worum es im Kern geht: Der Gesetzgeber möchte die einvernehmliche Streitbeilegung vor allem deswegen fördern, weil er sich daraus eine Verbesserung der Streitkultur erwartet. Dem liegt die seinerzeit vom BVerfG geprägte Einschätzung zugrunde, dass eine konsensuale Konfliktlösung auch in einem Rechtsstaat gegenüber einer rechtsorientierten Streitentscheidung grundsätzlich vorzugswürdig ist.

Diese konsensfreundliche Perspektive darf man nicht missverstehen als eine Geringschätzung der Rechtsprechung. Es geht insbesondere nicht darum, den Zugang zum richterlichen Urteil in einer Weise zu erschweren, die dann indirekt den Konsens wieder attraktiv macht. Das Augenmerk liegt vielmehr eher darauf, den in der Rechtspraxis weniger genutzten konsensorientierten Verfahren mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dabei erscheint es dann freilich sinnvoll, regulative Maßnahmen möglichst verfahrensoffen zu gestalten, jedenfalls solange es keine belastbaren Hinweise darauf gibt, dass die Mediation anderen konsensorientierten Methoden wie etwa rein bilateralen Verhandlungen oder Schlichtungsverfahren überlegen wäre.

II. Warum fördern?

Erscheinen konsensorientierte Verfahren danach grundsätzlich förderungswürdig, so schließt sich die Frage an, ob es tatsächlich auch einen entsprechenden Förderungsbedarf gibt. Treffen Konfliktparteien die Entscheidung zwischen kooperativen und konfrontativen Methoden typischerweise entgegen ihren eigentlichen Interessen, so dass der Staat ihnen den Weg in die konsensorientierten Verfahren zusätzlich erleichtern müsste?

Zu dieser Frage gibt es keine belastbare Evidenz. Es erscheint aber immerhin plausibel, dass es Streitparteien tendenziell zu häufig auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen. Zugunsten dieser Annahme spricht eine Vielzahl von Indizien:

Die Verhaltensökonomie kennt mehrere Rationalitätsverzerrungen, die im Konflikt eskalierend wirken, so etwa Überoptimismus in eigener Sache und die reaktive Abwertung hörenswerter Argumente aus dem Mund der anderen Partei.

Menschen denken und planen tendenziell kurzfristig und unterschätzen bzw. unterberücksichtigen den mit langen Gerichtsverfahren verbundenen zeitlichen und emotionalen Aufwand.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben durch die erfolgsunabhängigen Verfahrens- und Terminsgebühren einen Anreiz dazu, Streitigkeiten vorschnell in einen Gerichtsprozess zu treiben. Das gilt umso mehr, wenn ihre Mandantinnen rechtsschutzversichert sind.

Auch, wenn ihre Berufsordnung Anwältinnen und Anwälten eine konfliktvermeidende Tätigkeit auferlegt, § 1 Abs. 3 BORA, ist die juristische Ausbildung während Studium und Referendariat fast ausschließlich auf die rechtsförmige Lösung von Streitigkeiten ausgerichtet. Das führt fast zwangsläufig dazu, dass deeskalierende Strategien in der Rechtsberatungspraxis nur eine untergeordnete Rolle spielen.

III. Wie fördern?

Welche Fördermaßnahmen lassen sich auf dieser Basis rechtfertigen? Weil es sich bei den genannten Gesichtspunkten nur um einzelne Phänomene handelt, deren Gesamtwirkungsgrad in der deutschen Rechtspflege bisher nicht ausreichend erforscht ist, sollte man Vorsicht dabei walten lassen, wenn man konsensorientierte Verfahren auf dieser Grundlage subventioniert. Insbesondere im Bereich der Kostenhilfen erscheinen zunächst Pilotprojekte sinnvoll, wie sie etwa die Berliner Initiative für geförderte Familienmediation initiiert hat, weil man daraus womöglich neue Erkenntnisse über das Verhalten der Konfliktbeteiligten unter veränderten Anreizen ableiten kann.

Vergleichsweise augenfällig ist demgegenüber der Regulierungsbedarf mit Blick auf die Informationsgrundlage für die Verfahrenswahl der Streitparteien. Die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung ist zwar inzwischen in der Bevölkerung weitgehend bekannt, allerdings ist fraglich, wie präzise und zutreffend die damit verbundenen individuellen Vorstellungen sind. Und selbst dort, wo die Parteien über die Existenz konsensorientierter Verfahren abstrakt Bescheid wissen und diese Verfahren für grundsätzlich geeignet halten, dürfte im konkreten Fall regelmäßig keine nüchterne Abwägung stattfinden, welches Konfliktmanagementverfahren die eigenen Interessen bestmöglich verwirklicht. Diese Abwägung anzuleiten, wäre mandatsvertragliche Pflicht der beteiligten Anwälte, angesichts der chronischen Vernachlässigung des anwaltlichen Berufsrechts in der Referendarausbildung darf man hier aber in der Praxis aktuell nicht viel erwarten.

Mit Blick auf die Förderung einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren wäre insofern eine grundlegende Intensivierung der anwaltlichen Berufsausbildung im Rechtsreferendariat weit wichtiger und effektiver als eine Überarbeitung des Mediationsgesetzes. Notwendig ist nicht nur eine gründliche Vermittlung des anwaltlichen Berufsrechts, sondern auch eine Ausbildung in den kommunikationstheoretischen, prozessstrategischen und unternehmerischen Grundlagen der Anwaltstätigkeit. Die Gelegenheit dafür ist günstig, denn gegenwärtig mehren sich die Stimmen, die für eine Modernisierung der juristischen Ausbildung votieren. Diese Bewegung ließe sich für das Kernanliegen der deutschen Mediationsszene sehr gut fruchtbar machen.

B. Regeln zur Qualitätssicherung

Schon der Gesetzgeber des Mediationsgesetzes hat sich jenseits der generellen Förderung der einvernehmlichen Streitbeilegung auch darüber Gedanken gemacht, wie sich die Qualität von Mediationsdienstleistungen sicherstellen lässt.

I. Mediationsqualität in Gefahr?

Zum Zweck der Qualitätssicherung hat es der Gesetzgeber zunächst bei der appellartig weichen Regel des § 5 Abs. 1 MediationsG belassen, der die Aus- und Fortbildung von Mediatoren ihrer eigenen Verantwortung anvertraut. Diese Regel wurde gut fünf Jahre später durch die ZMediatAusbV ergänzt, die die Sonderbezeichnung als zertifizierte Mediatorin an konkret vorgegebene Mindestausbildungsvoraussetzungen knüpft. Zertifizierter Mediator darf sich nach deren Vorgaben nur nennen, wer eine Ausbildung im Umfang von 120 Präsenzzeitstunden absolviert hat, fünf Praxisfälle supervidieren lässt und regelmäßig an Fortbildungen teilnimmt.

Bemerkenswert ist, dass weder dem Mediationsgesetz noch der Zertifizierungs-Verordnung ein Befund vorausging, dass die Qualität der im Markt erbrachten Mediationsdienstleistungen unzureichend wäre. Tatsächlich wäre es in einem nicht primär durch Selbstvermarktung, sondern vor allem durch persönliche Empfehlungen geprägten Markt im Grunde überraschend, wenn es der Nachfragerseite nicht gelänge, die für ihre prozeduralen Bedürfnisse geeigneten Mediatorinnen identifizieren.

II. Mediationsqualität messen?

Diese Überlegung sprach schon 2012 und 2017 und spricht auch heute noch gegen eine Regulierung des Zugangs zur Tätigkeit einer Mediatorin. Hinzu kommt, dass es bei der wesentlich von persönlicher Autorität und vom individuellen Kommunikationsverhalten geprägten Mediationstätigkeit kaum rechtssicher feststellbar ist, wer dafür mehr oder weniger geeignet ist. Jedenfalls bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die vom Verordnungsgeber in § 2 Abs. 4 S. 1 ZMediatAusbV festgeschriebenen 120 Präsenzzeitstunden ein geeignetes Kriterium für mediative Fähigkeiten darstellen. Viel spricht dafür, dass das bloße Absitzen einer bestimmten Ausbildungsstundenzahl kein tauglicher Qualitätsindikator ist.

Eher im Gegenteil: Gerade bei einer Tätigkeit, die ganz überwiegend nur im Nebenberuf ausgeübt wird, halten hohe Anforderungen an die Ausbildungsdauer im Zweifel diejenigen Kandidatinnen fern, die in ihrem Hauptberuf reüssieren und womöglich auch als Mediatoren ein überzeugendes Bild abgeben könnten. Der Ruf nach immer höheren Mindestausbildungsstundenzahlen klingt a priori schlüssig, dieser Ansatz könnte aus den erwähnten Gründen allerdings das Gegenteil dessen erreichen, was er zu bezwecken vorgibt.

III. Andere oder keine Zertifizierung?

Die vorgenannten Überlegungen sprechen im Ergebnis dafür, die Zertifizierungs-Verordnung trotz ihres jungen Alters zeitnah wieder abzuschaffen. Es ist nicht erkennbar, dass der Markt solche Regeln braucht oder dass sich der zertifizierte Mediator am Markt als bei den Nachfragern anerkanntes Gütesiegel durchgesetzt hätte. Zudem zeigt der Blick in die jüngste Praxis der Ausbildungsinstitute, dass man dort mancherorts gerne bereit ist, zentrale Vorgaben der Verordnung zu opfern, wenn es angesichts veränderter Rahmenbedingungen gerade opportun erscheint. Schließlich wohnte dem Begriff der Zertifizierung von Beginn an eine unschöne Irreführung inne, weil sich zertifizierte Mediatorinnen nach dem Konzept der ZMediatAusbV selbst zertifizieren, aber entgegen dem Wortsinn nicht von einer unabhängigen Stelle geprüft werden.

Auch die in jüngster Zeit vernehmlich artikulierten Vorschläge, zumindest diesen Geburtsfehler der ZMediatAusbV durch die Einrichtung einer Zertifizierungsstelle zu beheben, erscheinen wenig sinnvoll. Mit Blick auf die jüngsten Erfahrungen der Anwaltskammern dürfte auch aus einer Mediatorenkammer wenig effektive Kontrolle der Kammermitglieder, dafür aber viel Bürokratie und einiger Streit zu erwarten sein. Auch eine aus der Mitte der Mediationsverbände gegründete und vom Staat beliehene Stelle erscheint heikel, weil eine solche Einrichtung stets in der Versuchung wäre, die Interessen der beteiligten Verbände, nicht aber die Interessen aller Ausbildungsinstitute oder gar der Nachfrager zu verfolgen. Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, könnte man eine unabhängig agierende Mediatorenprüfungsbehörde schaffen; das wäre freilich ein kostspieliges Unterfangen, das sich der Fiskus ohne nachgewiesenen Nutzen für die Verfahrensnachfrager nicht leisten sollte. Im Hinblick auf die Sicherung von Mediationsqualität gilt daher: Wenn die Mechanismen des Marktes funktionieren, darf und sollte es der Gesetzgeber auch dabei belassen.

C. Integration der Mediation in das bestehende Rechtsschutzsystem

Neben den Überlegungen zur Förderung der Mediation und zur Sicherung von Mediationsqualität treibt den Gesetzgeber schließlich auch noch die Frage um, wie sich die Mediation sinnvoll in das bestehende Rechtsschutzsystem integrieren lässt. Klassischerweise beginnt der Rechtsschutz in der anwaltlichen Rechtsberatung. Wenn diese Beratung auch in der Praxis eine ergebnisoffene und interessenorientierte Verfahrenswahlberatung einschlösse, wäre bereits der wichtigste Schritt getan. Offen ist danach allenfalls noch die Frage nach dem Verhältnis der gerichtlichen zur außergerichtlichen Mediation sowie nach dem besten Zeitpunkt für einen Mediationsversuch.

I. Gerichtsinterne oder gerichtsexterne Mediation?

Die Debatte um die gerichtsinterne Mediation ist älter als das Mediationsgesetz. Die richterliche Mediationstätigkeit begann vor etwa 15 Jahren im Rahmen von Pilotprojekten auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage. Der Gesetzgeber hat die damit verbundene Erweiterung der Richterrolle allerdings durch die Neufassung des § 278 Abs. 5 ZPO gebilligt und den Streit durch einen Formelkompromiss zu entschärfen versucht, nach dem die gerichtsinterne Mediation nunmehr nicht mehr Verfahren, sondern nur noch Methode ist; seitdem ist ohne inhaltliche Änderung vom Güterichterverfahren die Rede (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.04.2021 11:48
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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