Gericht: Schiedsklausel in einem Investitionsschutzabkommen verstößt gegen EU-Recht

Die Zuweisung einer Investitionsstreitigkeit zwischen EU-Mitgliedstaaten an ein Schiedsgericht beeinträchtigt die Autonomie des EU-Rechts, wenn von der Entscheidung des Schiedsgerichts Unionsrecht betroffen sein kann. In diesen Fällen ist eine Schiedsvereinbarung unwirksam.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb ein auf Antrag einer österreichischen und einer kroatischen Bank gegen die Republik Kroatien eingeleitetes Schiedsverfahren für unzulässig erklärt. Damit wird auch eine umfassende Sicherung des Interpretationsmonopols des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angestrebt.

Die Republik Kroatien wendet sich in dem Verfahren gegen die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens, das eine kroatische und eine österreichische Bank gegen sie eingeleitet haben. Beide Banken erbringen im kroatischen Markt Finanzdienstleistungen. Die Banken berufen sich auf Schadensersatzansprüche gegen Kroatien im Zusammenhang mit der Änderung des kroatischen Insolvenzrechts und einer behaupteten systematischen Verweigerung von Rechtsschutz durch die kroatischen Gerichte.

Zwischen Österreich und Kroatien besteht ein Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (i.F.: BIT). Nach Art. 9 Abs. 2 BIT wird bei Streitigkeiten aus einer Investition ein Schiedsverfahren durchgeführt. Wegen behaupteter Schadensersatzansprüche leiteten die Banken ein Schiedsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 BIT am vereinbarten Schiedsort Frankfurt am Main ein.

Kroatien beantragte daraufhin beim angerufenen Oberlandesgericht, die Unzulässigkeit des eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, da Art. 9 Abs. 2 BIT nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Diesem Antrag hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main per Beschluss stattgegeben. Es stellte fest, dass zwischen den Parteien keine wirksame Schiedsvereinbarung bestehe. Art. 9 Abs. 2 BIT verstoße gemäß den zu beachtenden Rechtsgrundsätzen des EuGH gegen Unionsrecht (Urteil vom 06.03.2018 – C-284/16 – Achmea). Die EuGH-Entscheidung sei als Grundsatzentscheidung zu verstehen und erlange über den Einzelfall hinaus Bedeutung für alle BIT-Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten, also auch hier.

Nach dieser Entscheidung darf eine internationale Übereinkunft zwischen EU-Mitgliedstaaten die „Autonomie der Rechtsordnung der Union und ihres der Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit der Auslegung des Unionsrechts dienenden Gerichtssystems nicht beeinträchtigen“. Innerhalb dieses Gerichtssystems sei es Sache der nationalen Gerichte und des EuGH, die uneingeschränkte Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten. Dabei komme dem sog. Vorabentscheidungsverfahren bei der Gewährleistung der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts eine Schlüsselfunktion zu. Gem. Art. 267 AEUV legen die nationalen Gerichte dem EuGH Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung des Unionsrechts vor.

Im Streitfall bestehe die Möglichkeit, dass ein nach Art. 9 Abs. 2 BIT angerufenes Schiedsgericht auch Unionsrecht anwenden müsse. Bereits die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Investition richte sich neben dem kroatischen und österreichischen Recht nach dem Unionsrecht. Dem Schiedsgericht sei es jedoch verwehrt, dem EuGH selbst im Wege eines Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV Fragen vorzulegen. Schiedsgerichte seien keine „Gerichte eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV. Es liege damit eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts vor.

Allein die Möglichkeit, dass das nationale Recht eine gerichtliche Überprüfung von Schiedssprüchen vorsehen kann, führe nicht zur Vereinbarkeit von Art. 9 Abs. 2 BIT mit dem Unionsrecht.

Der Beschluss ist mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Rechtsbeschwerdegericht ist der Bundesgerichtshof.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2021 15:59
Quelle: Frankfurt/M., Beschl. v. 11.2.2021 - 26 SchH 2/20

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