Aus der ZKM

Zusammenarbeit von Mediatoren und Anwälten – Licht am Ende des Tunnels(?)

von Rechtsanwalt und Mediator Markus Hartung

Die Zusammenarbeit von Anwälten und nichtanwaltlichen Mediatoren in einer Sozietät oder einer Bürogemeinschaft ist nach geltendem Recht unzulässig. Nach der großen BRAO-Reform, die derzeit in der Diskussion ist, wird sich das vermutlich ändern.


I. Einführung

II. Die Rechtslage

III. Zwischenstand – und vox populi

IV. Reformvorhaben: Erweiterung des Kreises der „vereinbaren Berufe“

1. Zusammenarbeit in der Sozietät ...

2. ... und in der Bürogemeinschaft

3. Mediatoren und Anwälte: Was ist zu erwarten?

4. Ausblick
 

I. Einführung

Das Thema der Zusammenarbeit von Anwälten und nichtanwaltlichen Mediatoren in einer Sozietät oder Berufsausübungsgesellschaft (gleich welcher Rechtsform) oder einer Bürogemeinschaft ist nicht neu und war schon oft Gegenstand von Beiträgen und Urteilsanmerkungen, auch hier. 1 Anlass dieses Beitrags ist es, einen Blick in laufende Reformvorhaben zu werfen und ein bisschen Hoffnung zu verbreiten, denn: Es sieht so aus, als könnte sich alles zum Guten wenden.

II. Die Rechtslage

Die Rechtsfragen sind alle mehrfach erörtert worden und müssen daher nicht in extenso wiederholt werden. Für unsere Zwecke reicht folgende Kurzfassung: Rechtsanwälte dürfen ihren Beruf nicht mit jedem ausüben. In § 59a BRAO ist eine Reihe von Berufen genannt, mit denen das möglich ist, hauptsächlich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte. Mediatoren sind dort nicht genannt. Allerdings sind auch Ärzte und Apotheker dort nicht genannt, aber mit solchen Berufen dürfen sich Rechtsanwälte nach der sog. Horn-Entscheidung des BVerfG aus Januar 2016  in einer Partnerschaftsgesellschaft zur Berufsausübung zusammenschließen. Die Horn-Entscheidung befasste sich mit einer schon seit vielen Jahren geäußerten Kritik an den beschränkten Zusammenarbeitsmöglichkeiten und gab den Kritikern recht, allerdings nur für den speziellen Fall, den das Gericht zu entscheiden hatte. Zwar lassen sich die dort aufgeführten Argumente auch gut auf andere Berufsgruppen anwenden, aber das BVerfG hatte den § 59a BRAO nur als teilnichtig bezeichnet, etwas, was als minimalinvasive Vorgehensweise  bezeichnet wurde.

In der Folge gab es den Versuch, unter Bezugnahme auf die Horn-Entscheidung eine Zusammenarbeit eines Mediators (der seine Anwaltszulassung zurückgegeben hatte) mit einem Rechtsanwalt zu erreichen. Das scheiterte letztlich vor dem BGH.  Ein weiterer Parallelfall, dieses Mal mit einem Hochschullehrer, blieb ebenfalls ohne Erfolg.  Der BGH war der Meinung, dass Mediatoren und Hochschullehrer zu wenig mit Ärzten und Apothekern zu vergleichen seien. Das war keine Berufsbild-bezogene Argumentation, sondern orientierte sich an der Frage, ob die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und deren strafrechtliche und strafprozessuale Sicherung durch die Zusammenarbeit mit anderen Berufen gefährdet werden könne. Bei Ärzten und Apothekern, die einer vergleichbaren Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen, liegt diese Gefährdung nicht vor, denn die Verschwiegenheitsverletzung ist nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB (bei Ärzten) und § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB (bei Anwälten) in gleicher Weise strafbar, das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO sowie der Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 1 StPO identisch.

Das war in den genannten Entscheidungen des BGH nicht der Fall: Die Verschwiegenheitspflicht von Mediatoren nach § 4 MediationsG ist nicht strafrechtlich gesichert, Mediatoren haben nur im Zivilprozess nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das bedeutet, dass sie im Strafverfahren aussagen müssen und ihre Aufzeichnungen nicht vor Beschlagnahme geschützt sind. Bei Hochschullehrern besteht lediglich die beamtenrechtliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit.

Nach diesen Erwägungen war aber nicht nur die Zusammenarbeit in einer Sozietät unzulässig, sondern auch in einer Bürogemeinschaft. Denn nach § 59a Abs. 3 BRAO gelten die Beschränkungen für Sozietäten auch dann, wenn man sich lediglich Büroräume oder Infrastruktur teilt, aber nicht gemeinsam Mandate bearbeitet. Was genau eine Bürogemeinschaft ist, lässt sich nicht einfach definieren, aber als Faustformel mag genügen, dass Bürogemeinschaften eher Betriebs- oder Infrastrukturgemeinschaften sind, von denen aus jeder seinem eigenen Mandatsgeschäft nachgeht und nach außen unabhängig von seinen Bürogemeinschaftern auftritt. Der Grund für die identischen Beschränkungen liegt darin, dass der damalige Gesetzgeber die Sorge hatte, dass die anwaltliche Verschwiegenheit in einer Bürogemeinschaft ähnlichen Gefährdungen wie in einer Sozietät ausgesetzt ist. Das ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen, stammt aber aus einer Zeit, als man Gefahren durch strukturelle Verbote begegnete – heute würde es dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit eher entsprechen, auf die Einhaltung bestimmter Pflichten zu setzen, um strukturelle Verbote möglichst zu vermeiden. Das wiederum orientiert sich nicht am „pflichtvergessenen Anwalt“, denn das anwaltliche Berufsrecht beruht nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall pflichtwidriges Handeln zur Folge hat.

III. Zwischenstand – und vox populi

Diese Rechtslage ist Stand der Dinge, wenn auch für viele unbefriedigend. In rechtsvergleichender Hinsicht muss man andererseits berücksichtigen, dass Deutschland relativ fortschrittlich ist, was die interprofessionelle Zusammenarbeit angeht, denn in vielen Ländern dürfen Anwälte sich gar nicht mit anderen Berufen assoziieren. Auch in Europa bildet Deutschland eine (fortschrittliche) Ausnahme – aber es ist eben alles relativ.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit ist keine rein akademische oder verfassungsrechtliche Fingerübung, sondern entspricht einem echten Bedürfnis der Anwaltschaft. Nach dem Berufsrechtsbarometer 2017 sprachen sich 18 % der Befragten dafür aus, die Zusammenarbeit mit Angehörigen der Freien Berufe zuzulassen.  Im Berufsrechtsbarometer 2015 lag dieser Anteil noch bei 9 %,  so dass sich das Bedürfnis in nur zwei Jahren verdoppelt hatte. Noch eindrucksvoller wird das Bedürfnis, wenn man die Altersstruktur und Dauer der Berufstätigkeit der Befragten berücksichtigt: In der Altersgruppe bis 40 Jahre und bis zu 10 Jahren Berufszugehörigkeit sprachen sich 37 % der Befragten dafür aus, die Zusammenarbeit mit allen Freien Berufen zuzulassen. 

Allerdings haben sich bei der gewünschten Zusammenarbeit zwischen Anwälten und nichtanwaltlichen Mediatoren die Gewichte verschoben. Im Berufsrechtsbarometer 2017 tauchen Mediatoren unter den sechs am häufigsten genannten Wunschberufen für die Zusammenarbeit nicht auf.  Insoweit muss man wieder auf das Berufsrechtsbarometer 2015 zurückgreifen: Damals stand der Wunsch nach Zusammenarbeit zwischen Anwälten und Mediatoren bei immerhin 15 % der Befragten an vierter Stelle der Liste.  Daraus ergab sich eine interessante weitere Information: Der weitaus größte Teil wünschte sich keine Sozietät mit einem Mediator, sondern bevorzugte eine Bürogemeinschaft. 

IV. Reformvorhaben: Erweiterung des Kreises der „vereinbaren Berufe“

Zurzeit wird das anwaltliche Berufsrecht einer Totalsanierung oder -renovierung unterzogen. Insbesondere das anwaltliche Gesellschaftsrecht wird reformiert, einschließlich der Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit. Zu dieser Reform hatte sich die Bundesregierung der EU-Kommission gegenüber verpflichtet und dies in ihr Nationales Reformprogramm 2017 aufgenommen. 

1. Zusammenarbeit in der Sozietät ...

Der derzeit diskutierte Referentenentwurf des BMJV vom 29.10.2020  geht auf einen Reformvorschlag zurück, den Martin Henssler für den DAV erstellt hatte,  der seit 2018 diskutiert und im Jahr 2019 verabschiedet wurde.  In einem neuen § 59c Abs. 1 Nr. 4 BRAO-E schlägt der Referentenentwurf vor, die interprofessionelle Zusammenarbeit grundsätzlich mit allen Berufsgruppen der Freien Berufe zu ermöglichen. (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.02.2021 10:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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