Bundesregierung zu möglichen Nachbesserungen und Weiterentwicklungen der Musterfeststellungsklage

Die Musterfeststellungklage wurde 2018 als Instrument des kollektiven Rechtsschutzes eingeführt, um unter anderem die gleichgelagerten Fälle im sogenannten VW-Dieselskandal rechtlich zu klären. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig haben der klageführende vzbv und die beklagte VW AG am 28. Februar 2020 einen außergerichtlichen Vergleich zur Entschädigung von Dieselfahrzeugkunden erzielt.

Circa 260.000 Anspruchsberechtigte haben in der Folge des Vergleichs das Recht auf eine Entschädigung zwischen 1.350 Euro und 6.257 Euro und damit durchschnittlich 15 Prozent des Kaufpreises erstritten. Auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Manuela Rottmann, Tabea Rößner, Renate Künast sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/21109 – hat die Bundesregierung insgesamt 45 Fragen beantwortet.

Die GRÜNEN wollten u.a. wissen, ob das Ziel des Gesetzes erreicht wird, Verbraucherinnen und Verbraucher vor unrechtmäßigen Verhaltensweisen bei standardisierten Massengeschäften zu schützen und ihnen auch bei vermeintlich geringen Schäden eine Kompensation zu bieten. Die Bundesregierung kündigt an, im Rahmen der Evaluierung des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage auf Grundlage der beim Bundesamt für Justiz vorgehaltenen Rechtspflegestatistiken in fachlich geeigneter Weise zu prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen eingetreten sind. Die hohe Zahl an Anmeldungen zu den bis heute bekannt gemachten Musterfeststellungsklagen, darunter insbesondere zur Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) gegen die Volkswagen AG, lasse jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt erkennen, dass bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Bedarf nach dem Instrument der Musterfeststellungsklage bestehe.

Und wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass nach dem Musterfeststellungsurteil zusätzlich ein Leistungstitel erstritten werden muss? Die Bundesregierung sieht keinen Nachteil darin, dass die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche auf Grundlage des Musterfeststellungsurteils noch individuell weiterverfolgen müssen. Sollte das im Musterfeststellungsverfahren unterlegene beklagte Unternehmen nicht freiwillig zahlen, könnten sich die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher seit dem 1. Januar 2020 insbesondere an die Universalschlichtungsstelle des Bundes wenden und zur Durchsetzung ihrer festgestellten Rechte die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beantragen, ohne gleich die Gerichte anrufen zu müssen. Die bisherigen Erfahrungen mit der Musterfeststellungsklage hätten gezeigt, dass der Erlass eines erstinstanzlichen Musterfeststellungsurteils innerhalb von nur wenigen Monaten nach Klageerhebung möglich sei. Eine Sammelklage, bei der alle Zahlungsklagen gebündelt werden, würde den betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht schneller zu einem Leistungstitel verhelfen. Bei einer solchen Sammelklage müsste jeder einzelne der gesammelt eingeklagten Ansprüche zunächst in seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen individuell geprüft und nachgewiesen werden, bevor das Verfahren insgesamt zu einem Abschluss gebracht werden könnte. Insbesondere bei einer hohen Beteiligung von Verbraucherinnen und Verbrauchern könnte es daher zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens kommen.

Auch die Tatsache, dass das Musterfeststellungsverfahren nicht für kleine Unternehmen gilt, obwohl diese massenhaft Rechtsprobleme, etwa mit Betriebsschließungsversicherern, in der Coronakrise haben, stört die Bundesregierung nicht. Die Musterfeststellungsklage sei ein Instrument des kollektiven Rechtsschutzes in verbraucherrechtlichen Angelegenheiten. Das ihr zugrundeliegende Modell könne daher nicht ohne weiteres auf Streitigkeiten zwischen Unternehmen oder von Kommunen mit Unternehmen übertragen werden. Anders als bei Verbraucherverbänden könne es bei Klagen von Unternehmensverbänden gegen einzelne Unternehmen zu Interessenkonflikten kommen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.11.2020 14:57
Quelle: Bundestag Drucksache 19/21365

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