Gericht kippt Abtretungsmodell bei Sammelklage gegen Audi

Eine der größten von Legal-Tech-Inkassogesellschaften betriebenen Sammelklagen im VW-Dieselskandal steht vor Problemen: Das Landgericht Ingolstadt sieht in den Geschäftsbedingungen von Myright einen Interessenkonflikt zwischen dem Dienstleister und seinen Kunden – und ließ die Klage von Myright gegen Audi nicht zu (Az. 41 O 1745/18). Und das, obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) ihnen im vergangenen Herbst die Tür weit aufgestoßen hatte.

Im Herbst 2019 fällte der BGH das sogenannte LexFox-Urteil (Az. VIII ZR 285/18). Damals genehmigte das Gericht das Geschäftsmodell der Legal-Tech-Inkassogesellschaft LexFox, Betreiberin der Plattform Wenigermiete.de, das unter anderem auch die Prozessführung für seine Kunden umfasst. Die Verteidiger des klassischen Anwaltsberufs sehen seither eine von den anwaltlichen Berufspflichten befreite digitale Konkurrenz auf Erfolgskurs. Gleichzeitig schöpften alternative Rechtsdienstleister wie Financialright Hoffnung, dass auch ihre von Prozessfinanzierern unterstützen Abtretungsmodelle nun genehmigt würden.

Die Landgerichte, die das BGH-Urteil vom vergangenen Herbst bislang angewendet haben, dämpften die Hoffnung der Legal-Tech-Inkassogesellschaften deutlich: Sie sehen in den von Financialright im Lkw-Kartell und der Kaufland-Stiftung im Zuckerkartell verwendeten Abtretungsmodellen deutliche Abweichungen von Wenigermiete.de. Zentraler Kritikpunkt sowohl im Lkw-Kartell als auch im Fall des Zuckerkartells war die Fokussierung der Legal-Tech-Inkassogesellschaften auf die prozessuale Streitbeilegung. Inkassogesellschaften seien aber für die außergerichtliche Streitbeilegung geschaffen, argumentierten die Richter.

Auch wenn die Urteilsgründe vom Landgericht Ingolstadt noch nicht vorliegen – offenbar betonen die Richter ein weiteres Argument, das auch bereits das LG München im Lkw-Kartell ansprach: Interessenkonflikte zwischen den Legal-Tech-Inkassogesellschaften und ihren Kunden.

Im Myright-Fall beim LG Ingolstadt hatte sich der Rechtsdienstleister die Schadensersatzforderungen von insgesamt 2.800 Audi-Käufern abtreten lassen und die VW-Tochter auf 77 Millionen Euro verklagt. Das Gericht erklärte die Abtretung für nichtig, weil der Abtretungsvertrag die Käufer unzumutbar benachteilige.

Denn eine Klausel in den AGB stellt sicher, dass Myright auch dann eine Provision ausgezahlt bekommt, wenn der Käufer den Vergleich widerrufen möchte. In diesem Fall, erklärte das Gericht, wäre für den Käufer die gesamte Rechtsverfolgung nicht mehr kostenfrei. Daraus folge „sowohl ein unzulässiger wirtschaftlicher Druck für den jeweiligen Käufer als auch ein Interessenkonflikt zwischen dem Käufer und der Klägerin“. Damit seien im vorliegenden Fall „bereits die einzelnen Abtretungsvereinbarungen nichtig, da sie aufgrund einer die Käufer benachteiligenden Regelung nicht mehr von der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz gedeckt“ seien.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.08.2020 14:06
Quelle: www.juve.de v. 10.8.2020

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