Bundesregierung: Integrationsbeauftragte will "Rasse" aus dem Grundgesetz streichen

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hat sich hinter die Forderung der Grünen nach Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz gestellt. Sprache präge unser Denken, sagte Widmann-Mauz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Deutschland brauche 70 Jahre nach der Entstehung des Grundgesetzes eine Formulierung, mit der es seiner historischen Verantwortung gerecht werde, ohne die Sicht der Täter einzunehmen. Dazu gehöre, Rassismus im Grundgesetz beim Namen zu nennen anstatt von „Rasse" zu sprechen. Damit setzte sich Widmann-Mauz von einigen Vertretern von CDU und CSU ab, welche die Streichung des „Rasse"-Begriffs aus dem Grundgesetz in den vergangenen Tagen abgelehnt hatten. Andrea Lindholz (CSU) hatte von einer „hilflosen Scheindebatte" gesprochen und davor gewarnt, dass eine Streichung des Begriffs die Rechtsprechung beim Thema Rassismus erschweren könnte.

Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte warnte vor einer kompletten Streichung des Begriffs. Es wäre ein fatales Signal, wenn der Begriff einfach nur gestrichen würde, ohne dass das Grundgesetz weiter auf Rassismus hinweist, sagte Cremer der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe Rassismus, aber keine 'Rassen', so Cremer.

Über die Änderung des Grundgesetzes hinaus forderte Widmann-Mauz die Gründung eines „Kompetenzzentrums Rassismus". Dieses solle fundierte Erkenntnisse über alltäglichen Rassismus sammeln und mit einem zentralen Hilfetelefon erste Anlaufstelle für Betroffene sein. Es würden schnelle Hilfen für Menschen gebraucht, die zum Opfer von Rassismus würden, sagte sie. Der Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus solle sich sobald wie möglich mit der Einrichtung eines solchen Zentrums befassen, so Widmann-Mauz.

Die Grünen hatten die Diskussion unter dem Eindruck der weltweiten Antirassismusproteste angestoßen. Der „Rasse"-Begriff manifestiere eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, die Anspruch und Geist des Grundgesetzes widerspreche, hieß es. Stattdessen wollen die Grünen, dass der Begriff "rassistisch" ins Grundgesetz kommt. Eine Änderung des Grundgesetzes erfordert eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.06.2020 08:16
Quelle: www.zeit.de v. 16.6.2020

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