Staaten drohen Klagen wegen Corona-Maßnahmen

Sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene drohen Ländern rund um den Globus Staatshaftungs-  und Investorenschutzklagen infolge des Herunterfahrens der Weltwirtschaft durch die Corona-Pandemie. Die befürchteten Klagewellen könnten dazu führen, dass die Justiz auch hierzulande bei einer Wiederaufnahme ihrer Rechtsprechungstätigkeit überlastet wird.

In Deutschland werben Anwälte in sozialen Medien und auf ihren eigenen Internetseiten mit entsprechenden Staatshaftungsklagen. Sie appellieren dabei vor allem an das Gerechtigkeitsgefühl: Viele Betriebe seien von der Existenz bedroht und würden durch das gesetzliche Berufsverbot quasi unverschuldet enteignet.

Dass diese Sichtweise juristisch umstritten ist, zeigt ein erstes Urteil des Landgerichts Heilbronn. Eine Friseurmeisterin mit mehreren Angestellten machte im vorläufigen Rechtsschutz Schadensersatz nach dem Infektionsschutzgesetz geltend. Doch die Heilbronner Richter blockten ab: Erstens habe die Frau Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro erhalten, zweitens könne sie die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und drittens sei sie dann nicht existenziell bedroht. Viertens schließlich sei der Shutdown nur von kurzer Dauer, so dass die Friseurmeisterin schon bald wieder neue Umsätze erzielen könne. Künftige Umsatzerwartungen seien allerdings nicht von der Eigentumsgarantie umfasst.

In Rekordzeit hat die Bundesregierung ein über eine Billion Euro umfassendes Schutzpaket für die Wirtschaft auf den Weg gebracht. Angesichts dessen dürfte es für die Anwälte schwer werden, dem Staat ein Fehlverhalten nachzuweisen.

Dasselbe gilt auch für die erwarteten Investorenschutzklagen. „Inmitten dieser dramatischen Krise bereitet die Anwaltsindustrie überall auf der Welt Klagen gegen Anti-Corona-Maßnahmen vor", schreibt die NGO Corporate Europe Observatory (CEO) in einer Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Müssen Corona-geplagte Staaten bald Milliarden Schadenersatz an Konzerne zahlen, weil sie ihre Bürger vor den Folgen der Pandemie abschirmen, fragt die überregionale Tageszeitung? So etwa dann, wenn einzelne Regierungen notleidenden Bürgern die Wasser- oder Stromrechnung erlassen haben. Soll das ausländische Investoren, die an den Strom- und Wasserwerken beteiligt sind, dazu berechtigen, die Umsatzausfälle gegen den jeweiligen Staat einzuklagen? Versucht wird das in dem einen oder anderen Fall sicherlich. Doch nahezu alle Investitionsschutzabkommen beinhalten Klauseln für Notlagen, aufgrund derer die Staaten ihre Bürger schützen dürfen. Wann, wenn nicht jetzt inmitten der Corona-Pandemie sollte der Staat Schutzprogramme für seine Bürger aufspannen dürfen?


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2020 16:53
Quelle: LG Heilbronn vom 29.4.2020, Az.: I 4 O 82/20 und www.sueddeutsche.de v.19..5.2020

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