Aktuell in der ZKM

Nachfolgeprozesse in Familienunternehmen - Teil 1 (Halter, ZKM 2019, 132)

Eine gelungene Unternehmensnachfolge braucht Zeit. Vor allem eine familieninterne Nachfolge dauert viel länger, als ein externer Verkauf an Dritte. Es ist Aufgabe und Pflicht der Eigentümer, entsprechend verschiedene Szenarien ins Auge zu fassen und aufeinander zeitlich abzustimmen. Das Ziel dabei ist, dass die Handlungsfähigkeit stets aufrechterhalten werden kann.

A. Nachfolge als Prozess

I. Viele Aufgaben brauchen Zeit

Die Übergabe von Eigentum, Führung und/oder Vermögen im Rahmen einer Unternehmensnachfolge ist kein punktuelles Ereignis. Vielmehr handelt es sich um einen (teils iterativen) Prozess, der sich über viele Monate und Jahre hinziehen kann. Der Prozess beinhaltet die Entscheidungsfindung des Übergebers und seiner Familie („Was wollen wir eigentlich?“), die Suche und Auswahl eines geeigneten Nachfolgekandidaten, die Planung und Durchführung der eigentlichen Übertragung sowie deren Nachbereitung. Auch aus Sicht des Übernehmers können sich die notwendige Aus- und Weiterbildung sowie die Suche nach einem passenden Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinziehen. Wissenschaftliche Befragungen haben ergeben, dass die einzelnen Elemente des Nachfolgeprozesses typischerweise mehrere Monate in Anspruch nehmen, wie in Abbildung 1 dargestellt. Während die Gesamtdauer der Nachfolge durchaus variieren kann, je nachdem ob und welche Elemente parallel oder sequenziell abgearbeitet werden, gibt die Darstellung doch einen ersten Eindruck, mit welcher zeitlichen Perspektive zu rechnen ist.

Abb. 1: Typische Dauer wichtiger Elemente im Nachfolgeprozess aus Sicht des Übernehmers 1

II. Unterschiedliche Zeiträume je Nachfolgeform

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass man nicht nur hinsichtlich der Ausgestaltung, sondern vor allem auch bezüglich der benötigten Zeiträume zwischen familieninterner (FBO = Family Buy-Out), unternehmensinterner (MBO = Management Buy-Out) und familienexterner und unternehmensexterner Nachfolge (MBI = Management Buy-In) differenzieren muss. Abbildung 2 fasst die Antworten von Übernehmern auf zwei Fragestellungen zusammen. Die erste lautet: „Wie viel Zeit verging von der ersten gezielten Auseinandersetzung mit dem Nachfolgeprozess bis hin zur Verantwortungsübertragung?“ Die zweite Frage lautet: „Wie lange hatte der Vorgänger noch einen Arbeitsplatz ab dem Zeitpunkt der Verantwortungs-übertragung?“ Das Behalten des Büros ist häufig ein symbolischer Akt. Dennoch kann diese Zahl als Indiz dafür gewertet werden, wie lange der Vorgänger im Unternehmen noch seine Finger im Spiel hatte. Die Abbildung zeigt deutlich, dass ein FBO-Prozess wesentlich länger dauert als ein MBO- und vor allem ein MBI-Prozess. Gleichzeitig muss auch festgehalten werden, dass die Verbindlichkeitsgrade dieser Prozesse sehr verschieden sind. Schriftlichkeit dominiert vor allem beim Verkauf an Externe und ist bei der familieninternen Nachfolge deutlich weniger ausgeprägt. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Prozessabläufe bei den unterschiedlichen Übertragungsarten in der Regel sehr verschieden verlaufen.

Bei der familieninternen Nachfolge (FBO) braucht es häufig mehr Zeit um die Bedürfnisse und Erwartungen der einzelnen Familienmitglieder zu klären, zu strukturieren und schließlich aufeinander abzustimmen. Im Unterschied zu Gesprächen mit externen Interessenten fällt es innerhalb der Familie häufig schwerer explizit anzusprechen, wenn einem etwas nicht passt. Das ist vor allem auf die Mehrfachrollen der Beteiligten zurückzuführen. Aufbauend auf den Argumenten einer Unternehmenslogik aber gleichzeitig mit dem Hut als Vater oder Mutter den Kindern zu sagen, dass man nicht daran glaubt, dass diese das Unternehmen erfolgreich weiterführen können, ist beispielsweise sehr schwierig. Schließlich möchte man die eigenen Kinder – auf Grund der Familienlogik – nicht verletzen und vor den Kopf stoßen. Umgekehrt ist es für eine begabte Tochter oder einen begabten Sohn auch nicht einfach den Eltern mitzuteilen, dass man trotz der eigenen Fähigkeiten das Unternehmen nicht übernehmen möchte. Es ist vor allem diese Vermischung von Familien- und Unternehmenslogik, welche dazu führt, dass familieninterne Übergaben oft mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Die Altersdifferenz zwischen Übergeber und Übernehmer bei familieninternen Übergaben ist typischerweise recht groß, vgl. Abbildung 2. Probleme ergeben sich, wenn der Übergeber sich bereits früh vom Unternehmen zurückziehen möchte, die Kinder jedoch noch zu jung sind um Verantwortung zu übernehmen. In einzelnen Fällen führt dies dazu, dass das Unternehmen anders als geplant familienextern (MBO oder MBI) übergeben wird. Eine Alternative dazu ist die vorgezogene Regelung der Führungsnachfolge (z.B. Interims-Management oder angestellter CEO) während das Eigentum nach wie vor innerhalb der Familie gehalten wird.

Abb. 2: Durchschnittliche Prozessdauern bei FBO, MBO, MBI 3

Zudem gibt es Fälle, bei denen die Elterngeneration auch im Alter noch voller Tatendrang und mit viel Energie und Kraft die Firma weiterführen kann und möchte. In diesem Zusammenhang ist das Risiko gegeben, dass es zum sog. „Prinz-Charles-Syndrom“ kommt. 4 Es können immer wieder Einzelfälle beobachtet werden, bei denen der 50-jährige Nachfolger nach wie vor nicht entscheiden darf und seine eigene unternehmerische Kraft weder entwickeln noch entfalten kann.

Bei der unternehmensinternen Nachfolge (MBO) verläuft der Übergabeprozess in der Regel schneller als bei einem ZKM 2019, 134FBO (auf Grund der geringeren Notwendigkeit für familieninterne Klärung), jedoch langsamer als bei einem MBI. Wir erklären dies wie folgt: Sowohl die Forschung wie auch die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass gerade beim MBO oft ein sog. Verkäuferdarlehen in großzügigem Umfang im Spiel ist. Solange der Vorgänger aber noch einen wesentlichen Anteil des Kapitals indirekt über ein Verkäufer-Darlehen im Unternehmen hält, erscheint es ihm als legitim, dass er sich weiterhin für das Unternehmen einsetzt. Entsprechend schwierig ist es, in solch einem Fall für den Nachfolger die Führungsverantwortung einzufordern. Aus unserer Sicht ist es in diesen Fällen erstrebenswert, die Rollen- und Aufgabenverteilung im entsprechenden Zeitraum vorab zu regeln. Dies ermöglicht, dass der Nachfolger mehr und mehr in die Verantwortung hineinwachsen kann. An dieser Stelle gilt es aber zu betonen, dass nicht nur Aufgaben sondern vor allem auch Verantwortungen delegiert werden müssen – inklusive der Entscheidungskompetenz. Deshalb müssen unter Umständen auch die Entscheidungskompetenzen wie beispielsweise in der Form von Budgetkompetenzen definiert werden. Die Definition von Reporting- und Dokumentationspflichten sowie die Festlegung von Besprechungen inkl. Besprechungsrhythmus und Protokollierung können die Zusammenarbeit weiter vereinfachen.

Beim Verkauf an einen Externen (MBI) ist der Nachfolgeprozess am kürzesten – vor allem unter der Annahme, dass der Wille zum Verkauf gegeben ist und ein gewisses Maß an Transparenz über das Unternehmen herrscht. In der Regel herrscht zwischen den Beteiligten relativ schnell Klarheit darüber, ob man sich handelseinig werden wird oder nicht. Entsprechend kurz ist der anschließende Transaktionsprozess. Gerade aus der Perspektive des externen Käufers macht eine gewisse Prozessgeschwindigkeit Sinn, da dieser häufig bereits am Anfang des Prozesses relativ viel Zeit (und Geld) für die Unternehmensanalyse (Due Diligence) investiert hat, um die Black-Box „Unternehmen“ zu durchleuchten. Bekommt ein Käufer nun die revidierten Abschlüsse der letzten 3 Jahre und weitere relevante Dokumente per Ende 2018 beispielsweise am 28.2.2019, so kann die Vergangenheit des Unternehmens relativ plausibel eingeschätzt werden. Wenn sich der Prozess nun über Monate hinzieht, so stellt sich insbesondere für den Käufer die Frage, was in der Zwischenzeit im Unternehmen passiert ist: Stimmt die Performance nach wie vor? Hat ein gewisses eignerstrategisches Verhalten zu Lasten des Unternehmens Einzug gehalten? Ist das Engagement des (Noch-)Eigentümers im Dienste des Unternehmens noch immer gegeben? Ist die betriebsnotwendige Liquidität noch gegeben? Je grösser der Zeitraum zwischen Einblick in die Unterlagen bis hin zur Vertragsunterzeichnung ist, desto grösser wird die Unsicherheit für den Käufer.

Als Zwischenfazit kann deshalb festgehalten werden, dass unabhängig von der gewählten Nachfolgeform die zeitlichen Anforderungen in einem Nachfolgeprozess nicht unterschätzt werden dürfen. Allein deshalb schon ist es notwendig und erforderlich, den Prozess mit einem gut aufgesetzten Projektmanagement zu führen. Aktuelle Analysen auf der Grundlage unserer Erhebung aus dem Jahr 2013 haben gezeigt, dass es auch empirische Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Prozessdauer und der Performance nach der Unternehmensübertragung gibt. Je kürzer der Übertragungsprozess dauert, desto besser sind in der Regel die Leistungsergebnisse nach der Nachfolge. (...)
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.08.2019 11:41
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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