Unfair und kontraproduktiv: Der Staat zahlt keine Gerichtskosten

Nach Paragraf 2 Absatz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) kann der Staat gegen seine Bürger vor dem Zivilgericht kostenlos prozessieren und muss selbst bei einer vollständigen Niederlage keinerlei Gerichtskosten und auch keine Sachverständigenkosten bezahlen. In der Vorschrift heißt es wörtlich: „In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen.“

Finanziell weniger gut ausgestattete Privatpersonen oder Unternehmen kann im Kampf um ihr Recht vor Gericht schnell die Puste ausgehen. Wer seine Forderungen vor dem Landgericht einklagen muss, hat oft einen langen Weg zu gehen. Zudem sind Gerichtskosten und Sachverständigenkosten als Vorschuss zu leisten, wofür etwa in Bausachen rasch sechsstellige Beträge zusammenkommen.

Hier entsteht gerade bei den oft mit knapper Liquidität kämpfenden Bauunternehmen das Gefühl, dass streitige Angelegenheiten vom öffentlichen Auftraggeber gern zu Gericht geschoben werden, damit kein Behördenmitarbeiter die Verantwortung persönlich tragen muss – der Prozess kostet ja kaum etwas“, erläutert der Berliner Baurechtsexperte Prof. Dr. Ralf Leinemann. Hat aber ein Gericht der Zahlungsklage stattgegeben, „kann man eben nichts machen“.

Diese Privilegierung der öffentlichen Hand wird in der Prozesspraxis immer mehr als ungerecht empfunden. Weil der Staat sich ruhig zurücklehnen und sich verklagen lassen kann, ohne Kostennachteile befürchten zu müssen. „Zu zahlen ist allenfalls das Anwaltshonorar, das auch noch gern über zwei oder drei Jahre Verfahrensdauer gestreckt werden kann und im Haushalt dann kaum auffällt. Die private Partei muss hingegen sofort alles bevorschussen und hat - je nach Streitwert – hohe Beträge schon vor Prozessbeginn zu bezahlen, was eine echte Hürde darstellt“, weiß Leinemann aus jahrelanger Prozesserfahrung. Sein Fazit: „§ 2 Abs. 1 GKG fördert daher in seinen faktischen Auswirkungen die Haltung einiger Behörden, im Verhandlungswege keine Kompromisse zu machen, sondern sich getrost verklagen zu lassen. Das ist nicht nur volkswirtschaftlich unsinnig, es schadet auch unmittelbar den Vertragspartnern.“

Im Übrigen wäre es nur fair, wenn die öffentliche Hand auch zu den Einnahmen der Justizkasse beitragen müsste, weil dann die angeblich chronische Unterdeckung der Kosten der Gerichte weitaus geringer ausfallen würde. „Die Politik muss auf diese Unwucht bei Rechtsstreitigkeiten in Zivilprozessen aufmerksam gemacht werden. Mit einer Abschaffung von § 2 Abs. 1 GKG kann auf einfache Weise die prozessuale Fairness im Zivilprozess wiederhergestellt werden“, fordert Leinemann.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.07.2019 12:41
Quelle: www.leinemann-partner.de v. 8.7.2019

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